Das letzte Revier
schimmern in kräftigen Farben auf einem Brett und warten auf ihre letzte Misshandlung. »Der Typ taucht immer wieder auf wie ein falscher Fuffziger.« Jack nimmt ein langes Messer vom Wagen. »Der Junge geht gestern in die Kirche, kommt nach Hause und erhängt sich im Wald.« Je öfter Jack Fielding das Wort »verdammt« gebraucht, umso empörter wird er. Er ist extre m empört. »Was ist mit Stanfield?«, frage ich. »Ich dachte, er wollte aufhören.«
»Wenn er es nur täte. Der Kerl ist ein totaler Idiot. Er ruft uns wegen diesem Fall an und dann? Fährt er zum Tatort, der Junge hängt an einem Baum, und Stanfield schneidet ihn ab.« Ich habe das Gefühl, ich weiß, was gleichen kommen wird. »Er schneidet durch den Knoten.«
Ich hatte Recht. »Er hat hoffentlich vorher Fotos gemacht?«
»Da drüben.« Jack macht eine Kopfbewegung in Richtung der Abstellfläche auf der anderen Seite des Raums. Ich gehe hinüber, um mir die Fotos anzusehen. Sie tun weh. Wie es scheint, hat sich Benny nicht einmal umgezogen, als er von der Kirche nach Hause kam, sondern ist sofort in den Wald gegangen, hat ein Nylonseil über einen Ast geworfen, an einem Ende eine Schlinge gemacht und das Ende durchgezogen. Dann machte er eine weitere Schlinge mit einem Laufknoten und zog sie sich über den Kopf. Auf den Fotos trägt er einen marineblauen Anzug und ein weißes Hemd. Eine rotblau gestreifte Fliege liegt auf dem Boden, entweder wurde sie vom Seil abgestreift, oder er nahm sie ab. Er kniet, die Arme hängen schlaff herunter, sein Kopf ist gesenkt, eine typische Position für Selbstmord durch Erhängen. Ich habe nicht oft gesehen, dass Leute vollständig in der Luft hingen und ihre Füße den Boden nicht mehr berührten. Wichtig ist, dass man genügend Druck auf die Blutgefäße im Hals ausübt, sodass nur ungenügend mit Sauerstoff angereichertes Blut ins Hirn gepumpt wird. Knapp zwei Kilo genügen, um die Jugularvenen zusammenzupressen, und doppelt so viel, um die Halsschlagader zu verschließen. Das Gewicht des Kopfes gegen die Schlinge reicht dafür. Man verliert schnell das Bewusstsein, der Tod tritt innerhalb von Minuten ein.
»Also gut.« Ich gehe zu Jack zurück. »Decken wir ihn zu. Legen wir ein mit Plastik bezogenes Tuch über ihn, damit das Blut nicht zu sehen ist. Und dann soll seine Mutter ih n anschauen, bevor Sie weitermachen.«
Er holt tief Luft und wirft das Skalpell auf den Wagen. »Ich werde mit ihr reden, vielleicht finden wir noch mehr heraus. Rufen Sie Rose an, wenn Sie so weit sind. Danke, Jack.« Ich schaue ihm in die Augen. »Wir reden später. Wir haben noch nicht einmal unsere Tasse Kaffee getrunken. Wir sind nicht einmal dazu gekommen, uns gegenseitig fröhliche Weihnachten zu wünschen.« Mrs. White sitzt in meinem Besprechungszimmer. Sie weint nicht mehr, in sich zusammengesunken starrt sie ins Leere, ohne zu blinzeln, leblos. Sie sieht mich kaum, als ich eintrete und die Tür schließe. Ich erkläre ihr, dass ich gerade bei Benny war und sie in ein paar Minuten zu ihm kann. Wieder füllen sich ihre Augen mit Tränen. Sie will wissen, ob er gelitten hat. Ich sage, dass er schnell bewusstlos wurde. Sie fragt, ob er starb, weil er nicht mehr atmen konnte. Ich erwidere, dass wir im Augenblick noch nicht alle Antworten kennen, aber es sei unwahrscheinlich, dass seine Atemwege verschlossen gewesen seien.
Benny könnte an hypoxämischen Gehirnschädigungen gestorben sein, aber ich neige eher zu der Hypothese, dass der Druck auf die Blutgefäße zu einer vagovasalen Reaktion führte. Mit anderen Worten, sein Herzschlag verlangsamte sich, und er starb. Als ich erwähne, dass er kniete, meint sie, dass er vielleicht darum betete, Gott möge ihn zu sich holen. Vielleicht, sage ich. Vielleicht hat er gebetet. Ich tröste Mrs. White, so gut ich kann. Sie erzählt, dass ein Jäger nach einem Reh suchte, das er geschossen hatte, und ihren Sohn fand. Benny konnte noch nicht lange tot sein, denn er verschwand gleich nach der Kirche, gegen halb eins, und die Polizei kam um fünf Uhr nachmittags zu ihr. Sie informierten sie, dass der Jäger Benny gegen zwei Uhr gefunden hatte. Zumindest war er nicht lange allein, sagt sie. Und es war auch gut, dass er das Neue Testament in seiner Jackentasche hatte, denn darin standen sein Name und seine Adresse. So erfuhr die Polizei, wer er war und wo er wohnte.
»Mrs. White«, sage ich, »hat Benny sich in letzter Zeit verändert? Was war gestern Morgen in der Kirche? Wissen Sie,
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