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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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als ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass mir jemand folgt«, sagt er. »Ich hatte das Gefühl, dass ich beobachtet und verfolgt werde. Ich hatte keine Ahnung, warum. Aber als ich jünger war, habe ich nicht immer meinen ganzen Körper rasiert. Mein Rücken, Sie können es sich ja vorstellen. Das ist schwer, eigentlich unmöglich, und deswegen vergingen manchmal viele Monate, und, wissen Sie, als ich jünger war, war ich Frauen gegenüber schüchterner und habe mich ihnen nur selten genähert. Und ich habe mich auch nicht rasiert, nur meine Hände, den Hals und das Gesicht, den Rest habe ich in lange n Hosen und Ärmeln versteckt.« Er berührt seine Backe. »Eines Tages bin ich in die Wohnung, in der meine Pflegeeltern lebte n -«
    »Ihre Pflegeeltern lebten zu diesem Zeitpunkt noch? Das Paar, von dem Sie sprachen? Das in der Nähe des Gefängnisses wohnte?«, fügt sie mit einer Spur Ironie in der Stimme hinzu. »Nein. Aber ich konnte dort noch eine Weile wohnen. Es war nicht teuer, und ich hatte Arbeit, Gelegenheitsjobs. Ich komme nach Hause und weiß, dass jemand da gewesen ist. Es war seltsam. Nichts fehlte außer der Bettwäsche. Ich denke, das ist nicht so schlimm. Zumindest hat, wer immer es war, nicht mehr mitgenommen. Das passierte noch mehrere Male. Jetzt weiß ich, dass sie es waren. Sie wollten meine Haare. Deswegen haben sie die Bettwäsche mitgenommen. Mir fallen viele Haare aus.« Er greift sich an den Kopf. »Es fallt immer aus, wenn ich mich nicht rasiere. Die Haare bleiben hängen, weil sie so lang sind.« Er streckt den Arm aus, um es ihr zu zeigen. Lange Haaren schweben schwerelos in der Luft. »Sie behaupten also, dass Sie keine langen Haare an ihrem Körper hatten, als Sie Susan kennen lernten? Nicht einmal auf dem Rücken?«
    »Überhaupt keine. Wenn Sie lange Haare auf der Leiche gefunden haben, dann sind sie von ihnen dort platziert worden, verstehen Sie, was ich meine? Trotzdem gebe ich zu, dass ich schuld bin an ihrer Ermordung.«

15
     
    »Warum sind Sie daran schuld?«, fragt Berger Chandonne. »Warum sagen Sie, dass Sie schuld an Susans Ermordung sind?«
    »Weil sie mir gefolgt sind«, antwortet er. »Sie müssen reingekommen sein, kurz nachdem ich gegangen war, und dann haben sie ihr das angetan.«
    »Und diese Leute sind Ihnen auch nach Richmond gefolgt, Sir? Warum sind Sie hierher gekommen?«
    »Wegen meinem Bruder.«
    »Erklären Sie mir das«, sagt Berger.
    »Ich habe von der Leiche im Hafen gehört und war überzeugt, dass es mein Bruder Thomas war.«
    »Wie verdiente Ihr Bruder seinen Lebensunterhalt?«
    »Er arbeitete in der Reederei mit meinem Vater. Er war ein paar Jahre älter als ich. Thomas war gut zu mir. Ich sah ihn nicht oft, aber er gab mir seine Kleider, wenn er sie nicht mehr wollte, und andere Dinge, wie ich schon sagte. Und Geld. Als ich ihn das letzte Mal sah, vor ungefähr zwei Monaten in Paris, hatte er Angst, dass ihm etwas Schlimmes zustoßen würde.«
    »Wo in Paris haben Sie sich mit Thomas getroffen?«
    »Faubourg Saint Antoine. Er ging gern dorthin, wo die jungen Künstler und Nachtclubs sind. Wir trafen uns in einer kleinen Gasse, Cour des Trois Freres, wo die Kunsthandwerker sind, nicht weit von Sans Sanz und dem Balanjo und natürlich der Bar Americain, wo man die Mädchen dafür bezahlt, dass sie einem Gesellschaft leisten. Er gab mir Geld und sagte, dass er nach Belgien gehen würde, nach Antwerpen, und von dort hierher. Ich hörte nie wieder von ihm, und dann habe ich von seine m Tod erfahren.« »Wie haben Sie davon erfahren?«
    »Ich sagte ihnen schon, dass ich Zeitungen suche. Ich sammle, was die Leute wegwerfen. Und viele Touristen, die kein Französisch sprechen, lesen die internationale Ausgabe von USA Today. Darin stand ein kurzer Artikel über die Leiche, die hier gefunden wurde, und ich wusste sofort, dass es mein Bruder war. Ich war ganz sicher. Deswegen bin ich nach Richmond gekommen. Ich musste Bescheid wissen.«
    »Wie sind Sie hierher gekommen?«
    Chandonne seufzt. Er sieht wieder müde aus. Er berührt die entzündete, wunde Haut an seiner Nase. »Das will ich nicht sagen«, erwidert er.
    »Warum wollen Sie es nicht sagen?«
    »Weil ich befürchte, dass Sie es gegen mich verwenden werden.«
    »Sir, Sie müssen mir die Wahrheit sagen.«
    »Ich bin ein Taschendieb. Ich habe einem Mann, der seinen Mantel über einen Grabstein in Pere-Lachaise gelegt hatte, die Brieftasche gestohlen. Der Pere-Lachaise ist der berühmteste Friedhof von

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