Das letzte Riff
werden. Man sagte zwar, daß Hängen das Verbrechen nicht stoppte, aber wenigstens den Verbrecher stoppte es.
»Hallo, wer kommt denn da?«
Roxby tauchte aus seinen Gedanken auf und sah ein Pony vor einem Wägelchen über die Pflastersteine des Hofes traben. Es war Bryan Ferguson, Bolithos Gutsverwalter, ein seltener Gast hier. Roxby war irritiert. Der Gedanke an ein wärmendes Glas Brandy wurde schon blasser.
Ferguson sprang herunter. Erst wenn er vor einem stand, sah man, daß er nur einen Arm hatte. »Tut mir leid, Squire, daß ich so unangemeldet hier auftauche.«
Roxby fürchtete Schlimmes. »Schlechte Nachrichten über Sir Richard?«
»Nein, Sir.« Ferguson sah den Pferdeknecht an. »Ich bin nur ein bißchen beunruhigt, Sir.«
Roxby hatte den Blick verstanden. »Gut, kommen Sie rein.
Wir müssen ja nicht hier draußen frieren.«
Ferguson folgte ihm in das große Haus, musterte die Gemälde an den Wänden, trat auf dicke Teppiche und sah in jedem Zimmer ein Kaminfeuer flackern. Ein wirklich großes Haus und entsprechend viel Land dazu. Alles sehr passend für den König von Cornwall.
Nervös redete er sich ein, das Richtige getan zu haben, das einzig Richtige. Es gab sonst niemanden, an den er sich wenden konnte. Lady Catherine war ausgeritten, um einen verletzten Landarbeiter und seine Familie zu besuchen. Sie mußte von seinem Besuch hier nichts wissen.
Ferguson betrachtete die eleganten Möbel und das große Porträt von Roxbys Vater, dem alten Squire. Der hatte überall in der Grafschaft Kinder gezeugt. Aber Roxby, der jetzige Squire, war seiner Frau treu; er jagte eher Wild als Weiber.
Roxby stand vor dem Feuer, um sich die Hände zu wärmen.
»Ist es vertraulich?«
Bedrückt sagte Ferguson: »Ich wußte nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte, Sir. Nicht mal mit meiner Frau könnte ich’s besprechen. Die sieht immer nur das Gute in den Menschen.«
Roxby nickte verständnisvoll. Es ging also um etwas Ernstes. Ferguson war stolz auf die Familie Bolitho, es hatte ihn sicher einige Überwindung gekostet, hierher zu fahren.
Warmherzig bot er an: »Ein Glas Madeira vielleicht?« Ferguson schaute ihn an, als sie sich vor den Kamin setzten.
»Lieber, Sir, wäre mir ein Gläschen Rum.«
Roxby griff nach einem seidenen Klingelzug. »Ach so, Sie waren ja mal Seemann.«
Ferguson sah den Diener nicht, der kam und ging wie ein Schatten, er starrte in die Flammen. »Vor fünfundzwanzig Jahren, Sir. Ich blieb an Land, als ich bei den Saintes einen Flügel verloren hatte.«
Roxby reichte ihm den Rum und nahm selbst ein Glas Cognac. Aus der letzten Lieferung. Es war manchmal besser, nicht zu wissen, woher sie kam. Besonders wenn man Friedensrichter war.
»Nun aber raus mit der Sprache. Wenn Sie meinen Rat brauchen …« Er fühlte sich geschmeichelt.
»Es wird übel geredet, Sir. Die Gerüchte sind gefährlich, wenn sie an die falschen Ohren kommen. Jemand erzählt Schlimmes über Lady Catherine und Sir Richards Familie. Dreckige Lügen.«
Roxby wartete geduldig. Der Rum begann zu wirken.
Ferguson fuhr fort: »Ich habe es von einem Getreidehändler. Der hat gehört, wie sich ein Bauer und Kapitän Adam in Bodmin stritten. Kapitän Adam forderte den Kerl zum Duell, aber er kniff.«
Roxby kannte das Temperament des jungen Adam Bolitho.
»Vernünftig. Hätte ich auch getan«, sagte er.
»Und dann …« Ferguson zögerte. »Dann hörte ich, was man sich über Mylady erzählt: Sie würde sich mit Männern in unserem Haus amüsieren und so …«
Roxby sah ihn düster an. »Ist das wahr?«
Ferguson sprang auf, ohne es zu merken. »Es ist eine verdammte Lüge, Sir!«
»Nur ruhig, mein Freund. Ich muß das genau wissen. Ich bewundere Lady Catherine aufrichtig, ihr Mut ist ein Beispiel für uns alle. Und ihre Liebe zu meinem Schwager – dazu brauche ich nichts zu sagen, die spricht für sich selbst.«
Ferguson schaute in sein leeres Glas. Er hatte versagt, alles lief in die falsche Richtung. Jetzt, da er die Beherrschung verloren hatte, mußte es nur noch schlimmer werden.
Roxby fragte: »Und Sie wissen, wer hinter all dem steckt, stimmt’s?«
Ferguson sah ihn ratlos an. Wenn er es ihm sagte, verschloß der Squire bestimmt seine Ohren. Einer aus der Familie, nein, das ging nicht.
Roxby fuhr fort: »Ich finde es sowieso raus. Es ist also besser, Sie sagen es mir gleich.«
Ferguson hielt Roxbys grimmigem Blick stand. »Es ist Miles Vincent, Sir. Ich schwöre es.« Wie würde Roxby jetzt
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