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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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der Schmerz lauerte wohl immer, wie eine ständige Drohung.
    »Sedgemore ist noch nicht ganz soweit, ein Kommando zu übernehmen, aber es wäre nicht falsch, ihn in dem Glauben zu lassen.«
    Sie lachten beide.
    Am Nachmittag nahm der Nordwind etwas ab. Die See zeigte mehr Farbe, während die tiefjagenden Wolken sich auflösten. Doch brachte die Sonne keine Wärme, als sie endlich schien. Die salzverkrusteten feuchten Segel glänzten nur, aber sie dampften nicht.
    Bolitho kam an Deck und hielt sich mit Jenour an der Heckreling auf, fern von beiden Wachen, die die Reffs ausschüttelten. Keen stand auf der anderen Seite und beobachtete die Leute, die in den Webleinen nach oben hasteten, ganz der Kommandant in seiner Welt. Bolitho fragte sich, was wohl Zenoria empfinden würde, wenn sie ihren Mann jetzt so sähe. Mit zusammengekniffenen Augen und wehendem Haar beaufsichtigte er ein Dutzend Tätigkeiten zur gleichen Zeit.
    Der älteste Midshipman, ein hagerer Junge namens Houston, winkte herablassend den Matrosen William Owen heran. Houston bereitete sich auf seine Leutnantsprüfung vor, die bei nächster Gelegenheit stattfinden würde, und war sich Bolithos Gegenwart sehr bewußt. Mahnend rief er: »Warte!«
    Allday stand neben Tojohns unten auf dem Deck und sagte verächtlich: »Sieh dir das Bürschchen an, bläst sich auf wie ein Admiral auf Halbsold. Wenn der sein Patent hat, wird er ein Leuteschinder!«
    Tojohns grinste. »Nicht wenn ihn vorher jemand öfter tüchtig zusammenstaucht!«
    Keen entdeckte den Freiwilligen und lächelte. »Owen, wie gefällt Ihnen das Leben auf einem Schiff, das soviel größer ist als Ihr letztes?«
    Owen kicherte. »Gefällt mir gut, Sir. Ich wünschte nur, Mylady wäre hier, um dem Koch ein paar Anregungen zu geben.«
    Bolitho nickte zufrieden. Keen hatte dem jungen Midshipman deutlich gezeigt, daß Owen ein verläßlicher Mann und kein Trottel war. Er rief ihm nach: »Nehmen Sie das Teleskop von Midshipman Houston mit hinauf, Owen. Es macht Ihre Aufgabe leichter.«
    Wieder eine Erinnerung: Ein eleganter Londoner Laden für Navigationsinstrumente. Catherine prüfte ein Teleskop, angeblich das modernste und beste, das es zu kaufen gab. Bolitho war sich bewußt, welche Überlegungen sie anstellte, als sie das glänzende Glas in der Hand hielt. Dann schüttelte sie den Kopf. Bolitho verstand: Sie hatte an Herrick denken müssen und an sein wunderschönes Teleskop, das letzte Geschenk seiner Dulcie. Diese Parallele wollte sie vermeiden. Sie verließen den Laden ohne das Fernglas.
    »An Deck!«
    Bolitho straffte sich. Er hatte mit offenen Augen geträumt, während Owen in die Großsaling geklettert war.
    »Segel im Nordosten, Sir!«
    Bolitho beobachtete die heranziehenden Wogenkämme. Noch immer nahm der Wind ab. Es war nicht schwierig gewesen, Owen zu verstehen. Gestern noch hätten Wind und See auch den lautesten Schrei übertönt.
    »Lassen Sie ihn an Deck kommen, Kapitän Keen. Sie haben es sicher eilig, alle Segel zu setzen.«
    Owen erreichte das Deck, gerade als Großsegel und Fock ausgeschüttelt würden. Sie blähten sich donnernd, bis die Rahen dichtgeholt waren, die Segel den Wind einfingen und so starr standen wie aus Stahl geschmiedet.
    »Nun, Owen, was haben Sie gesehen?«
    Männer, die gerade nicht an Fallen und Brassen arbeiteten, kamen wie unabsichtlich näher.
    Owen antwortete, ohne nachdenken zu müssen: »Es ist eine Fregatte, Sir Richard. Nicht groß – etwa achtundzwanzig Kanonen.« Er gab das Glas an Midshipman Houston zurück.
    »Danke, Sir.«
    Houston riß es ihm so grob aus der Hand, daß Keen Sedgemore zur Seite nahm. »Ich denke, ein Wort unter vier Augen würde dem jungen Herrchen gut tut.«
    Der Erste Offizier nickte. Unbewegt fuhr Owen fort: »Sie zeigt keine Flagge, Sir, aber ich glaube, es ist ein Holländer. Ich kenne ihre Schiffe, war oft nahe genug dran, manchmal sogar zu nahe.«
    »Also wieder ein Feind«, sagte Jenour überrascht. »Eigentlich hätte ich einen Franzmann erwartet.«
    Bolitho schwieg. Noch vor kurzem hätte Jenour sich nicht getraut, laut seine Meinung zu äußern. Er hatte sich immer auf andere verlassen, hatte Einschätzung und Urteil von denen abgewartet, die erfahrener waren als er. Jetzt war er reif genug, das Gelernte an andere weiterzugeben. Er würde ihm sehr fehlen.
    »Südwest zu Süd, Sir. Voll und bei!« Master Julyan grinste seine Gehilfen an und rieb sich die großen Hände. Wieder einmal hatte er mit seiner Vorhersage recht

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