Das letzte Riff
empfinde ich nur Dankbarkeit und Liebe für Sie.« Der Rest des Briefes klang wie ein Bericht an seinen Admiral, doch die letzten Sätze stammten wieder aus der Feder eines Mannes, der im Krieg groß geworden war: »Bitte grüßen Sie meine Freunde in Falmouth und Kapitän Keens Frau, falls Sie sie sehen. In aufrichtiger Verehrung, Adam.« Catherine faltete den Brief wie eine Kostbarkeit zusammen.
»Was Neues?« wollte Nancy wissen.
»Es scheint, die Franzosen haben bei Brest die Blockade durchbrochen. Das schlechte Wetter half ihnen, nicht uns. Adam muß so schnell wie möglich nach Westindien segeln.«
»Woher weiß man denn, daß die Franzosen nach Westindien wollen?«
»Man weiß es eben.«
Catherine stand auf und trat wieder ans Fenster. Zwei Knechte spannten schmucke Pferde vor die Kutsche. Im treibenden Schnee ließen sie mißgelaunt die Ohren spielen.
Nancy trat neben sie und legte ihr den Arm um die Taille.
Wenn Catherine sich später an diese Szene erinnerte, kam ihr Nancy immer wie eine Schwester vor.
»Sie werden also alle wieder zusammen sein?«
Catherine sagte: »Ich wußte, daß es so kommen würde. Wir glauben beide an das Schicksal. Wie sonst hätten wir uns wiederfinden können, nachdem wir uns schon verloren hatten?« Sie lächelte Nancy zu. »Bist du nicht glücklich, daß dein Mann immer auf fester Erde steht?«
Nancy sah sie an. Ihre Augen hatten die Farbe von Lavendel, der sich gerade in der Sonne öffnet. Sie zuckte mit keiner Wimper, als sie sagte: »Ich wollte einmal einen Seemann heiraten.« Dann legte sie plötzlich beide Arme um Catherine.
»Aber ich denke immer nur an mich …«
»Das ganz bestimmt nicht.« Catherine folgte Nancy ins Nebenzimmer und hängte sich den alten, schweren Mantel um, den sie manchmal zum Reiten trug. Ferguson, vermummt gegen Kälte und Schnee, unterhielt sich mit den Pferdeknechten und half Nancy in die Kutsche. Als die Pferde durch den tiefen Schnee davongestapft waren, fragte Catherine ihn: »Wollten Sie mich sprechen?«
Ferguson folgte ihr ins Haus. »Ich wollte nur wissen, ob ich irgend etwas für Sie tun kann, Mylady.«
»Trinken Sie einen Schluck mit mir.« Ferguson schaute auf seine schmutzigen Stiefel wieder, aber sie winkte ab. »Nehmen Sie Platz. Ich muß mit jemandem reden.«
Als sie zwei Gläser aus dem Schrank nahm, glänzte ihr Haar im Schein des Feuers. Ferguson konnte sie sich immer noch nicht in einem offenen Boot zwischen zerlumpten Schiffbrüchigen vorstellen.
Er richtete sich auf, als sie über die Schulter fragte: »Haben Sie vom jungen Miles Vincent gehört?«
Wußte sie etwas von seinem Besuch bei Roxby? War die Frau des Squire deswegen hier gewesen?
»Ja, ich habe davon gehört. Aber ich wollte Sie nicht damit belästigen.« Dankbar nahm er ein Glas entgegen. »Er wurde auf die
Ipswich
gebracht, hörte ich von einem Küstenwächter. Sie lief bald darauf mit Ziel Karibik aus. Aber machen Sie sich keine Sorge, Mylady, ich bin sicher, ihr Kommandant behandelt seine Besatzung ordentlich.« Hoffentlich klang das überzeugend.
Catherine hörte ihm kaum zu. »Also auch Westindien. Es scheint, als ob sich alle dort treffen. Auch Kapitän Adam segelt dort hin, er steht in diesem Augenblick wahrscheinlich gerade vor Kap Lizzard.«
Zum ersten Mal fiel Ferguson auf, daß Cognac im Glas war.
Er versuchte ein Lächeln. »Ich trinke auf Sir Richard und alle unsere tapferen Freunde!«
Ihr Cognac durchströmte Catherine wie flüssiges Feuer. Die Franzosen sind durchgebrochen! Wie oft mußten die Männer das gehört haben. Sie schaute zur Treppe, wo die Wandkerzen die Gesichter der Bolithos auf den Porträts beleuchteten. Sie alle waren auf See geeilt, wenn die Meldung kam, daß die französische Flotte ihre Häfen verlassen hatte.
»Ich wünschte, ich wäre jetzt bei ihm.«
Ferguson sagte später zu seiner Frau, dieser Seufzer sei aus tiefstem Herzen gekommen.
»Land voraus!«
Kapitän Adam Bolitho stützte sich auf die Karte und sah sich die Berechnungen und Positionskreuze an, die den bisherigen Verlauf ihrer Reise angaben. Er wußte, was der Ruf aus dem Ausguck an Deck auslösen würde. Neben ihm im kleinen Kartenhaus beobachtete Josiah Partridge, Master und Navigator, seinen jungen Kommandanten. Sein Gesicht verriet deutlich, wie stolz er auf sein Schiff war und auf die schnelle Reise, die nun bald zu Ende ging. Mitten auf dem Atlantik hatten sie Schlechtwetter angetroffen, doch die Fregatte schien einen Schutzengel zu haben.
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