Das letzte Riff
aus. Ich möchte, daß jeder Schuß trifft.«
Sargeant eilte übers Seitendeck nach vorn und hielt nur kurz bei jedem Stückführer an.
Ein Midshipman rief: »Die springen über Bord!«, aber niemand antwortete ihm. Alles starrte entweder auf den Schoner oder auf den eigenen Kommandanten.
Auf dem Vorschiff zog Sargeant seinen Degen, schaute nach achtern, als erwarte er noch einen Befehl, und rief: »Nacheinander in der Aufwärtsbewegung – Feuer!«
Die erfahrenen Stückmannschaften verstanden ihr Geschäft. Auf der obenliegenden Backbordseite stieß Kanone nach Kanone eine rote Zunge aus dem Lauf und fing sich dann im Rückstoß in ihren Brocktauen. Auf neunzig Meter Entfernung konnte man nicht vorbeischießen. Löcher platzten im Rumpf des Schoners auf, ein Querschläger raste über das Oberdeck und mähte ein Gewirr aus Leinen und Blöcken ab.
Beim vierten Schuß schließlich schien die See zu explodieren. Männer drückten sich die Hände auf die Ohren und suchten Deckung, als Splitter, Bretter und gespaltene Spieren übers Wasser fegten. Es sah aus, als schlüge Hagel auf das stille Meer. Danach schwamm überall glimmendes Holz. Als der Qualm sich verzog, war von dem Schoner nichts mehr zu sehen.
Mit einem Klicken schob Adam sein Glas zusammen. »Notieren Sie bitte im Log, Mr. Martin, das feindliche Schiff hatte Soldaten, Pulver und Kugeln geladen. Es gab keine Überlebenden.«
Sargeant kam nach achtern und hob grüßend die Hand an den Hut. »Das habe ich nicht geahnt, Sir. Ich wußte auch nicht, weshalb Sie unser Boot zurückbeordert haben.«
»Merken Sie sich’s für die Zukunft.« Adam legte die Hand auf die Schulter des Leutnants. »Ich hätte es früher ahnen müssen, hätte voraussehen müssen, was da geplant war. So was passiert mir nie wieder.«
Er sah, wie die Matrosen sich in die Brassen stemmten. Ihre halbnackten Leiber bildeten mit dem Deck einen schrägen Winkel. Hinter sich sah er Möwen über dem Wasser ihre Kreise ziehen und in den treibenden Überresten nach Freßbarem suchen.
»Ich hätte sie fast verloren.« Erst als er seinem Freund in das gespannte Gesicht sah, wurde ihm klar, daß er laut gesprochen hatte.
Er zog die Schultern hoch. »Und jetzt lassen Sie uns zu Lord Sutcliffe segeln und ihm melden, daß das französische Heer schon vor seiner Hintertür steht.«
Am vierten Tag, nachdem die
Black Prince
vor Anker gegangen war, lag Bolitho in seinem Sessel, und Allday rasierte ihn wie jeden Morgen mit großer Sorgfalt. Früh am Morgen war die beste Zeit, den ersten Kaffee zu trinken und nachzudenken. Die Heckfenster standen in der Brise offen, und er hörte, wie oben Männer das Deck schrubbten und das Schiff auf den Tag vorbereiteten. Die endlose Kette von Besuchern an Bord würde sich fortsetzen, ebenso seine eigenen Besuche an Land. In seinem Hunger nach Informationen hatte er auch Jenour und Yovell herumgehetzt.
Er hatte jeden Kommandanten bei sich an Bord begrüßt, sogar Herricks neuen Feind, Kapitän Lord Rathcullen von der
Matchless
, einen wortreichen, verächtlich dreinschauenden Mann mit hitzigem Temperament.
Am meisten überraschte Bolitho, wie sehr Herrick sich seit jener Kriegsgerichtsverhandlung verändert hatte. Er schonte sich nicht und hatte bei seinen Inspektionen auf Schiffen und Werften einige Bürokraten und Marineoffiziere so zornig zurückgelassen, als hätte er bei ihnen Unregelmäßigkeiten entdeckt.
Bolitho war, als lebe er in einem versiegelten Raum, trotz der angenehmen Umgebung und der herrlichen Farben von See und Himmel. Ehe die Fregatte
Tybalt
nicht aus Jamaika zurückkehrte oder aus England
Ipswich
zur Verstärkung eintraf, war er ohne Fregatten. Die anderen Geschwader lagen weit verteilt, einige in Jamaika oder Saint Kitts, andere sogar auf den Bermudas. Jedes Schiff unter fremder Flagge war verdächtig. Ohne neue Nachrichten wußte er nicht, was in Europa geschah. Waren Spanier und Holländer vielleicht schon Verbündete und die Portugiesen Englands Feinde? Alle seine Kommandanten ließen sich in dieser Ungewißheit vom obersten Gesetz der Admiralität leiten: »Wenn du richtig gehandelt hast, ernten andere den Ruhm. Wenn du einen Fehler gemacht hast, bist du allein schuldig.«
Yovell kam seufzend herein. »Ich werde die Befehle bis Mittag abgeschrieben haben und sie Ihnen zur Unterschrift vorlegen, Sir Richard.«
Bolitho sah in sein rotes, schweißnasses Gesicht. »Früher, Mr. Yovell. Das würde ich sehr begrüßen.«
Jenour trank
Weitere Kostenlose Bücher