Das letzte Riff
bei Dulcie geblieben, trotz höchster Gefahr für sich selbst. Warum kam er bloß mit ihr nicht klar?
Abrupt kehrte er in die Wirklichkeit zurück. »Sagen Sie der Signalstation, ich möchte den Kommandanten der
Anemone
sprechen, ehe er sich irgendwo anders meldet.«
Pearse nickte unsicher. Doch wahrscheinlich würde Lord Sutcliffe alles, was hier geschah, gar nicht mehr interessieren. Eine Stunde später meldete sich Kapitän Adam Bolitho bei Herrick, den Hut unterm Arm. Gegen seinen Schenkel schlug ein kurzer Degen.
Herrick gab ihm die Hand. »Spannen Sie mich nicht auf die Folter, Adam. Ihr Besuch kommt unerwartet. Wie lange waren Sie auf See?«
Adam schaute sich um. Obwohl der Offizier auf dem Wachboot ihm zugerufen hatte, Lord Sutcliffe sei krank, hatte er ihn hier doch erwartet.
»Achtzehn Tage, Sir!« Er lächelte und sah dabei noch jünger aus.
Herrick bot ihm einen Stuhl an und nahm stirnrunzelnd ihm gegenüber Platz. »Warum diese Eile?«
»Ich habe wichtige Depeschen von der Admiralität, Sir. Es scheint, daß aufgrund des schlechten Wetters im Atlantik einige französische Schiffe unsere Blockade durchbrochen haben.« Er wartete auf eine Reaktion, bemerkte keine und fuhr fort: »Mein Befehl lautet, Lord Sutcliffe sofort die Depeschen zu überreichen.«
»Unmöglich. Er ist viel zu krank. Selbst ich kann ihm nichts mehr melden.«
»Aber …« Adam fand sich mit Herricks direkter Antwort nicht ab. »Es könnten lebenswichtige Nachrichten sein. Man nimmt an, daß die feindlichen Schiffe hierher unterwegs sind. Ich glaube sogar, daß einige, wenn nicht gar alle, schon hier sind. Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit einer Batterie an Land. Glühende Kugeln – ich konnte mich gerade noch freikreuzen. Französische Soldaten in Menge …«
»Sie haben sich Zeit genommen, den Feind anzugreifen?
Hat Sie vielleicht wieder eine Prise gereizt?«
Adam sah ihn überrascht an. »Ja, da war ein Schoner mit Pulver und Soldaten. Ich habe alles in die Luft gejagt, ehe wir weitersegelten.«
»Sehr lobenswert.« Herrick sah auf seine Hände nieder.
»Ihr Onkel steht südlich von uns. Er hat sein Geschwader geteilt. Wir hatten hier keine Fregatte, bis die
Tybalt
aus Jamaika zurückkam. Und jetzt sind Sie hier. Eine richtige Flotte, in der Tat!«
Mit einiger Mühe hielt Adam seine Enttäuschung zurück.
»Warum sagen Sie das so spöttisch, Sir? Ist irgendwas? Kann ich helfen?«
»Was sollte denn sein?« Herrick stand auf und trat ans Fenster, ohne sich dessen bewußt zu werden. »Ihre Familie glaubt anscheinend, gegen alle Übel der Welt das Allheilmittel zu haben.«
Adam erhob sich langsam. »Darf ich offen sprechen, Sir?«
»Nichts anderes erwarte ich.«
»Ich kenne Sie, seit ich Midshipman war. Ich habe Sie immer für einen Freund gehalten und auch für einen erfahrenen Seemann.«
»Hat sich das etwa geändert?« Herrick kniff die Augen zusammen.
Adam deutete aufs Meer hinaus. »Ihr bester Freund ist jetzt draußen und weiß nichts über die Verstärkung der Franzosen in Westindien.« Seine Stimme klang jetzt etwas schärfer, aber das konnte er nicht ändern. »Ich bin nicht mehr der junge Midshipman, Sir. Ich führe eine der besten Fregatten in Seiner Majestät Marine – und das, denke ich, sehr erfolgreich.«
»Sie müssen nicht brüllen!« Herrick sah ihn an. »Ich habe nicht die Vollmacht, Depeschen an Lord Sutcliffe zu öffnen – das müssen Sie begreifen. Ihr Onkel führt sein Geschwader, die anderen Schiffe haben sich entweder in Jamaika oder in Barbados gesammelt. Wir können nur örtliche Patrouillen einsetzen, hier und vor Saint Kitts, aber das wissen Sie sicherlich.« Er wurde ungeduldig. »Ich wünschte nur, Konteradmiral Hector Gossage wäre jetzt hier, um die Folgen seiner verdammten Fehler zu tragen!«
Adam sah ihn besorgt an. »Das wäre nicht möglich. Er starb eine Woche, nachdem er seinen neuen Dienst angetreten hatte.«
»Um Gottes willen!« Herrick erstarrte. »Das habe ich nicht gewußt.«
Adam schaute an ihm vorbei. »Also werde ich Segel setzen, das Geschwader meines Onkels suchen und ihn warnen.« Er zögerte. »Ich bitte Sie, Sir, öffnen Sie diese Depeschen, schon um seinetwillen.«
Herrick sagte kühl: »In Ihren Adern fließt viel Rebellenblut, nicht wahr?«
»Falls Sie auf meinen verstorbenen Vater anspielen, Sir, dann denken Sie daran, was man von dem sagt, der den ersten Stein wirft!«
»Danke, daß Sie mich daran erinnern. Sie können an Bord gehen und
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