Das letzte Riff
Ihr Schiff klar zum Auslaufen machen. Ich werde die Wasserleichter zu Ihnen schicken.« Herrick sah die Bedrückung aus Adams Gesicht weichen und fügte kalt hinzu: »Aber ich befehle Ihnen, nach Jamaika zu segeln. Der dortige Admiral soll entscheiden. Er und General Beckwith werden die Invasion von Martinique leiten.«
Ungläubig rief Adam: »Aber dann ist es doch viel zu spät!«
»Belehren Sie mich nicht, mein Junge. Hier ist Krieg, kein Klassenzimmer.«
»Wie Sie befehlen.« Herrick war für ihn jetzt ein Fremder. Es gab nichts mehr zu besprechen. »Ich kann mir nicht vorstellen, was Sie und meinen Onkel zu Freunden gemacht hat.« Adam drehte sich um. »Aber der Ihre bin ich nicht mehr, Sir!«
In der kupferroten Abenddämmerung ging die
Anemone
ankerauf und setzte die Toppsegel. Herrick beobachtete sie von seinem Fenster aus und hob zögernd ein Glas Cognac an den Mund. Es war der erste, den er seit dem Tag getrunken hatte, als Gossage seine überraschende Zeugenaussage vor dem Kriegsgericht gemacht hatte.
Dieser junge Tiger und seine Beharrlichkeit, seine Arroganz! Herrick leerte das Glas und hustete. Er wollte kein Risiko mehr eingehen, egal, wie man sich hinterher über ihn den Mund zerreißen würde. Die
Black Prince
war ein großes Schiff, viel größer als seine arme
Benbow
an jenem schrecklichen Tag. Sie konnte sich selber verteidigen.
Die Tür öffnete sich, und Kapitän Pearse betrat den stillen Raum. Er sah das leere Glas und die ungeöffneten Depeschen, die vor dem Tresor lagen.
Herrick knurrte: »Keine Störung, habe ich gesagt! Ich muß nachdenken. Und sollte Ihr Anliegen mit Kapitän Adam Bolitho zu tun haben, so bitte ich Sie, sich nicht einzumischen.«
Kühl antwortete der Kapitän: »Der Arzt war gerade bei mir, Sir. Lord Sutcliffe ist gestorben!« Er sah, wie entsetzt Herrick die Nachricht aufnahm und sich haltsuchend ans Fensterbrett klammerte. »Sie sind jetzt hier der Oberbefehlshaber, Sir, bis ein Nachfolger eintrifft.«
Herrick fühlte hinter seiner Stirn ein Hämmern. Und er hatte Adam weggeschickt! Aber jetzt war es zu spät. Vor Einbruch der Nacht hätte nicht mal ein schneller Schoner ihn gefunden.
Steif trat er an den Tisch, öffnete die Leinwandtasche und nahm heraus, was mit dem großen Siegel der Admiralität gesichert war. Immer noch konnte er sich nicht überwinden, es zu zerbrechen. Der Inhalt war wahrscheinlich schon überholt und wohl nur für den Mann bestimmt, der jetzt tot in seinem eigenen Dreck lag. An die großen Entfernungen und verspäteten Depeschen mußte man sich hier gewöhnen; den richtigen Zeitpunkt und den besten Plan mußte der erkennen, der für die Strategie verantwortlich war.
Der Kapitän bemerkte Herricks Zögern. »Niemand wird Ihnen einen Vorwurf machen, Sir.«
Er stand wie ein Zeuge dabei, als Herrick zum Messer griff und das Siegel aufbrach. Vor kurzem hatte er noch gefürchtet, Herrick würde ihn bitten, sich zusammen mit ihm gegen Sutcliffe zu stellen. Und hatte sich gefragt, wie er das am besten von sich weisen könne. Jetzt war er diese Sorge los.
Herrick schaute auf. »Es heißt hier, daß fünf französische Linienschiffe unsere Blockade vor Brest durchbrochen haben. Konteradmiral André Baratte –«, er konnte sich immer noch nicht an die französischen Namen gewöhnen –, »segelte auf einer holländischen Fregatte, der
Trinton
.« Er schwieg. »Also hatte Bolitho auch diesmal wieder recht!«
Kapitän Pearse wollte wissen: »Kennen Sie den französischen Admiral, Sir?«
»Ich habe von ihm gehört. Sein Vater war ein bedeutender Mann, aber er endete mit all den anderen auf der Guillotine.« Er verhehlte nicht seinen Abscheu vor dem Terror der Revolution. »Sein Sohn überlebte und hat sich hervorgetan beim Täuschen und Tarnen. Oder in dem, was man höherenorts Strategie nennt.«
»Was machen wir also, Sir?«
Herrick überhörte die Frage. »Warum ist dieser Mensch da drin nicht vor Adams Ankunft gestorben? Da hätte ich noch etwas tun können. Jetzt ist es zu spät.«
»Fünf Linienschiffe, Sir. Und dazu alle, die schon in der Karibik sind. Das macht aus Baratte eine ernste Gefahr.«
Herrick griff nach seinem Hut. »Bereiten Sie die Bestattung von Lord Sutcliffe vor. Und warnen Sie den Major der Hafenbatterie. Sein nächster Salut könnte der französischen Flotte gelten.«
Weit draußen auf See legte sich die
Anemone
im zunehmenden Nordost stärker über. Ihre Toppsegel glänzten silbern im Mondlicht. Die Leutnants
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