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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Brise, um sie zu entzünden. Von hier aus konnte er die Falmouth Bay von einem Ufer zum anderen überblicken. Ganz in der Nähe lag auch die Farm, auf der er als Schafhirt gearbeitet hatte. Die Preßgang von Bolithos
Phalarope
hatte ihn eines Tages geschnappt und damit sein Leben von Grund auf geändert.
    Vor zwei Tagen waren sie aus Portsmouth zurückgekehrt, und es überraschte ihn nicht, daß den Ausgang der Kriegsgerichtsverhandlung mittlerweile jedermann kannte.
    Er trank einen Schluck Rum und stellte den Tonkrug dann sorgfältig zwischen seine Knie.
    Bald ging’s zurück auf See. Es war schon seltsam, morgens ohne das schrille Trillern der Bootsmannspfeifen aufzuwachen. Kein Kanonenexerzieren, kein Segeldrill, der die Männer übers Deck und in die Masten jagte. Auf dieser Reise würde er nur Passagier sein.
    Er lächelte, aber dann war die Trauer wieder da. Er hatte zwar Ferguson von seinem Kummer erzählt, doch er kam immer wieder wie ein Regenschauer. Ferguson hatte gut zugehört, aber auch ihm lastete irgend etwas auf der Seele, doch sprach er darüber nicht.
    Allday hatte nach der Rückkehr von Portsmouth seinen Sohn John Bankart besucht. Wie stolz war er einst auf ihn gewesen, vor allem, weil er jahrelang nichts von ihm gewußt hatte. Und als Kapitän Adam ihn zu seinem Bootsteurer gemacht hatte, da kannte Alldays Stolz keine Grenzen mehr.
    Jetzt hatte Bankart die Marine verlassen. Kapitän Adam hatte dafür gesorgt, mit der Begründung, dieser Mann würde bald fallen, wenn er in der Marine blieb. Doch es kam schlimmer. John hatte geheiratet, ohne auf die Rückkehr des Vaters zu warten, hatte ihm auch keine Zeile geschrieben.
    Allday hörte die Brise im langen Gras wispern; über ihm drehten Möwen ihre Kreise und schickten ihre Schreie in den hellen Himmel. Ja, man konnte schon glauben, daß sie die Seelen toter Seeleute waren.
    Schließlich hatte Alldays Sohn schlicht erklärt, ihm und seiner jungen Frau habe man Arbeit und Sicherheit drüben in Amerika angeboten.
    »Das Leben dort ist anders – frischer, freier«, hatte John sich begeistert. »Es ist eine Chance für uns. Wir werden dort eine Familie gründen, ohne daß uns Jahr für Jahr ein Krieg Angst macht.«
    Allday trank wieder einen Schluck Rum und erinnerte sich daran, was er daraufhin John wütend geantwortete hatte: »Wir haben die Schufte einmal besiegt, mein Sohn, und wir werden sie wieder besiegen, darauf kannst du dich verlassen.« Und im Weggehen hatte er noch gesagt: »Du bist als Engländer geboren und wirst auch als Engländer sterben. Du und ein Yankee – nie, das schwöre ich dir!«
    Der Rum und die warme Luft machten Allday müde. Er schüttelte sich und stopfte die Pfeife neu. Adams
Anemone
war jetzt sicher schon unterwegs. Welch prächtigen Anblick würde sie bieten, wenn sie vor Pendennis Point kreuzte!
    Verrückt. Nach all dem, was er auf See erlebt hatte, konnte ihn eine schlanke, einsame Fregatte immer noch begeistern.
    Plötzlich mußte er an Lady Catherine denken. Wie schaffte sie das bloß? Auf der langen Fahrt von Portsmouth hierher war es ihr gelungen, wieder neues Licht in Bolithos graue Augen zu zaubern.
    Es mußte schon seltsam sein, mit beiden zu segeln, auch wenn Ozzard und Yovell dabei waren. Der ganze Clan zusammen – wer hätte das so bald erwartet? Alldays Kopf sank nach vorn, und seine Pfeife zerbrach über dem Rumkrug.
    Als seine Stirn an die Steinmauer stieß, richtete er sich wieder auf. Die See glänzte immer noch leer, und die Möwen kreisten so unruhig wie je.
    Endlich stand er auf, witternd wie ein Jagdhund. Da hatte doch jemand geschrien! Keine Möwe. Eher der Angstschrei einer Frau. Er lief die Mauer entlang in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.
    Er fluchte leise. Nicht mal ein Messer hatte er bei sich! Aber da lag ein flacher Stein, schwer und scharf wie eine alte Steinaxt. Den nahm er im Vorbeigehen mit.
    Da erklang der Schrei wieder. Allday kletterte über die Mauer und sah vor sich den schmalen Weg, der sich hinunter zur Bucht wand.
    Zwei Männer, die ihn weder sahen noch hörten. Ein Karren voller Schachteln, Körbe und Kisten, von einem Esel gezogen.
    Der eine, ein bärtiger, zerlumpter Kerl, drehte einer Frau den Arm auf den Rücken, während sie sich verzweifelt wehrte. Der andere, der Allday den Rücken zukehrte, war genauso schmutzig und zerlumpt.
    Allday hörte ihn krächzen: »Nun wollen wir mal sehen, was sie sonst noch zu bieten hat!« Damit zerriß er ihr vorn das Kleid.

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