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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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längst vergessen.
    Entschlossen sagte er: »Haltet ihn fest!« Er setzte das Messer an, obwohl sein Magen gegen den fauligen Gestank der Wunde revoltierte.
    Als die Schneide eindrang, öffnete Bezant die Augen und schrie gurgelnd. Sein Schrei, der in einem Fluch endete, hing über dem Boot und ließ alle schweigend die Köpfe senken, während Allday amputierte.
    Erst Owen brach den Bann. »Hier kommt der Wind, Männer!« Seine Stimme überschlug sich fast. »Lieber Gott, endlich Wind!«
    Allday behielt recht: Bezant starb mit einem Fluch auf den Lippen, als die Dämmerung fiel. Aber ihre Riemen peitschten das Wasser, und das Segel brummte im Wind. Catherine schöpfte Wasser, beruhigte Sophie und beobachtete das alles. Bolithos Stimme übertönte den Wind und das Knarren des Segels, als er ein Gebet sprach, das er gewiß schon oft gesprochen hatte. Sie hielt dem Mädchen die Ohren zu, als Bezants Leichnam in die See klatschte. Selbst in der Tiefe würde es für den Skipper der
Golden Plover
keine Ruhe geben. Die Haie würden sie ihm nicht gönnen.
    Kapitän Keen schaute auf das killende Segel und legte hart Ruder, entsetzt darüber, daß er eingedöst war. Schlimmer noch: Keinem an Bord des überfüllten Bootes war es aufgefallen.
    Die See ging mit hoher Dünung, doch der Wind war nicht stark genug, Kämme zu formen. Die Sonne berührte fast schon die Kimm. Bald würde es kühler werden, dann konnten sie wieder ihre nächtliche Arbeit an den Riemen beginnen und nach Osten pullen.
    Er betrachtete die anderen. Einige lagen schlafend auf den Bodenbrettern, andere hingen über den Riemen, die von Dollbord zu Dollbord gelegt waren, quer über das Boot. Lady Catherine saß im Heck, die Schultern mit einem Fetzen Leinwand bedeckt. Neben ihr lehnte wie schlafend Bolitho.
    Ozzard zählte kniend wieder einmal ihren Zwieback ab und maß das Wasser im Fäßchen. Lange würde es nicht mehr reichen. Noch ein Tag, dann mußte die Verzweiflung wie ein schleichendes Fieber über ihre restliche Widerstandskraft siegen.
    Vor über einer Woche war die Barkentine am Riff zerschellt.
    Es schien zehnmal so lange her zu sein. Ihre winzigen Rationen waren schon lange verzehrt worden, jetzt gab es nur noch einen Beutel mit Zwieback, dazu Brandy für die Kranken und etwas Rum, wenn das Wasser verbraucht sein würde. Morgen oder übermorgen.
    Catherine bewegte sich und schluchzte leise auf. Sofort war Bolitho wach und nahm sie in seine Arme, also könne er sie schützen vor dem Auf und Ab des sonnendurchglühten Rumpfs.
    Keen mußte zurückdenken an die Zeit vor zwanzig Jahren, als sie beide in der Südsee gedient hatten. Bolitho war damals der junge Kommandant der Fregatte
Tempest
gewesen, er selbst sein Leutnant. Auch damals hatten sie in einem offenen Boot um ihr Leben gekämpft. Bestimmt mußte auch Bolitho jetzt daran denken. Die Frau, die er damals geliebt hatte, war im Boot in seinen Armen gestorben. Nun war es eine größere Jolle, aber die gleiche Gefahr und die gleiche Hoffnungslosigkeit. Auch Allday war damals an Bord gewesen und hatte Bolitho zurückgehalten, als er den Leichnam, mit einer Kette beschwert, über die Seite gleiten ließ. Würde Bolitho das je vergessen können, auch jetzt, da er wieder eine neue Liebe gefunden hatte?
    Bewegt erinnerte sich Keen an das, was vor zwei Nächten geschehen war. Sie hatten alle kurz vor dem Zusammenbruch gestanden. Da war ein Regenschauer wie ein Vorhang auf das Boot zugekommen und hatte die See in einen Teppich aus Blasen und Schaum verwandelt. Sie waren alle wach geworden, griffen nach Eimern, nach Fetzen und Bechern, um auch noch den kleinsten Regentropfen aufzufangen. Doch wie von einer riesigen Hand weggezogen, war der Regenvorhang eine halbe Kabellänge vom Boot entfernt vorbeigerauscht.
    Tucker, der junge Matrose aus Portsmouth, war danach völlig zusammengebrochen und hatte herzerweichend geweint, bis er erschöpft eingeschlafen war.
    Da hatte Catherine gesagt: »Also, John Allday, ich hab’ dich singen hören im Garten von Falmouth, und du hast eine schöne Stimme.« Sie schaute zu Yovell hinüber, bat mit den Augen um Unterstützung. »Meinen Sie nicht auch, Mr. Yovell?«
    So kam es, daß Allday, nachdem sie mit dem Erscheinen der ersten Sterne den Kurs bestimmt hatten, an der Pinne saß und ein Lied sang. Charles Dibdin hatte es geschrieben und die Musik dazu komponiert. Es schilderte den letzten tapferen Kampf der
Hyperion
und wie sie sich den Weg freischoß. Selbst der

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