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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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abgebrühteste Seemann, der Tod und Teufel so wenig fürchtete wie Pulver und Blei, glaubte jetzt daran, daß auf der Mastspitze immer ein Engel saß, der über seine Sicherheit wachte.
    Erschöpft, verbrannt, vom Durst geplagt, hatten sie Allday zugehört, und einen Augenblick schien alle Gefahr fern von ihnen. Es hatte auch Tränen gegeben. Keen hatte Jenour das Gesicht in den Händen bergen sehen, und Sophie hatte Allday angestarrt, als sei er ein Zauberer.
    Bolitho räusperte sich. »Was liegt an, Val?«
    Keen sah zu den Sternen hoch. »Wir laufen nach Osten, aber ich habe keine Ahnung, wie weit wir versetzt werden.«
    »Das macht nichts.« Bolitho legte seine Hände auf Catherines Schultern und spürte, wie weich sie unter dem schmutzigen Hemd waren. Aber ihre Haut war heiß, wohl verbrannt. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und merkte, daß sie ihn beobachtete. Doch auch sie schien jetzt schwächer zu werden.
    »Wie lange noch Liebster?« fragte sie.
    Er drückte das Gesicht in ihr Haar. »Einen Tag noch, vielleicht zwei.« Sie sprach leise, aber die anderen wußten es wahrscheinlich ohnehin schon.
    Der Matrose Tucker lachte wild auf.
    Bolitho deutete auf die Riemen. »Fangen wir an. Eine Wache nach der anderen.«
    »Was ist los mit Tucker?« wollte Keen wissen.
    Zögernd sagt Owen: »Er hat Wasser getrunken, Sir.« Er deutete auf die See, die sich fast bis zum Dollbord hob und dann wieder senkte.
    »Das wird ihn erledigen«, murmelte Allday. »Blöder Hund!«
    Tucker stieß seinen Riemen beiseite und versuchte, das Dollbord zu erreichen. Aber Jenour und Cuppage packten ihn und schoben ihn zum Fuß des kleinen Mastes. Cuppage zog ein Bändsel aus der Tasche und fesselte die Hände des Mannes auf seinem Rücken. Tucker blubberte irgendwas.
    »Halt’s Maul, du Narr!«
    Bolitho nahm Tuckers Platz auf der Bank ein und zog den Riemen durchs Wasser. Er schien ihm zweimal so schwer zu sein wie früher. Tuckers Stöhnen und Murmeln verstummte: der Anfang vom Ende.
    Catherine saß neben Keen, als Ozzard vorsichtig, Becher um Becher, Wasser aus dem Fäßchen goß.
    Keen hob ihr den Becher an den Mund. »Behalten Sie es, so lange es geht, im Mund. Ein Schlückchen nach dem ändern.«
    Sie zitterte. Fast wäre ihr der Becher aus der Hand geglitten, als Tucker aufschrie: »Wasser! Ich will Wasser, du Hure!«
    Im Dunklen war ein Faustschlag zu hören; Tucker verstummte.
    Catherine flüsterte: »Das wäre nicht nötig gewesen. Ich habe schon Schlimmeres gehört.«
    Keen aber wußte, Allday hatte den Mann nicht nur Catherines wegen zum Schweigen gebracht. Noch ein paar solcher Ausbrüche, und das Boot hätte sich in eine Hölle verwandelt, in der jeder auf jeden losging.
    Keen tastete nach der Pistole in seinem Gürtel und versuchte sich zu erinnern, wer außer ihm noch eine Waffe trug. Catherine beobachtete seine Hand und fragte leise: »Sie haben das wohl schon einmal getan, Val, nicht?« Etwas Schweres klatschte hinter ihnen in die See, ein Hai oder ein Beutefisch. Sie fuhr leise fort: »Ich will nicht, daß er mich leiden sieht.« Ihre Stimme zitterte. »Er hat meinetwegen schon genug geopfert!«
    »Rudert an – zugleich!«
    Die Riemen hoben und senkten sich im Gleichtakt. Äußerst behutsam wurde der Becher mit Wasser von Mann zu Mann gereicht.
    Dann wechselten die Wachen an den Riemen, und Bolitho sackte im Heck neben Catherine.
    »Was macht dein Auge?«
    Bolitho versuchte zu lächeln. »Es geht ihm besser, als ich dachte.« Er hatte ihre Mutlosigkeit mehr gespürt als gehört, als sie mit Keen sprach.
    »Du lügst!« Sie lehnte sich gegen ihn und fühlte, wie er sich zusammennahm. »Mach dir keine Sorgen um mich, Richard. Meinetwegen ist das hier passiert. Du hättest mich im Gefängnis lassen sollen, dann hättest du nie gewußt …«
    Große helle Schemen senkten sich aus der Dunkelheit und kreisten über dem Boot, ehe sie ihren Flug fortsetzten.
    Bolitho sagte: »Heute nacht schlafen diese Vögel schon in Afrika.«
    Sie schob ihr verklebtes Haar zur Seite, als Gischt über das Dollbord wehte. »Ich wäre jetzt gern mit dir in einer einsamen Bucht, Richard; vielleicht auf unserem Strand. Wir würden nackt in die See laufen und uns auf dem Sand lieben.« Fast unhörbar begann sie zu weinen, das Gesicht gegen seine Schulter gedrückt. »Wenn ich wieder mit dir leben dürfte …«
    Sie waren in tiefen Schlaf gesunken, als der junge Tucker würgte und starb. Die Ruderer lagen erschöpft über den Riemen, ihnen

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