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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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ältere Schwester war erschienen, streng und grau. Ihr Sohn Miles war einst Midshipman auf Bolithos Flaggschiff
Black Prince
gewesen, aber entlassen worden. Der junge Mann schaute sich um, als erwarte er, daß jeder in der Kirche ihn bewundere. Dabei hatte man ihm nahegelegt, den Dienst in der Kriegsmarine aus eigenen Stücken zu quittieren, damit er nicht vor ein Kriegsgericht mußte. Der junge Mann rechnete sich gewiß schon aus, was für ihn nach dem Tod seines Onkels hier zu holen war.
    Und dann gab es Uniformen in großer Zahl: der Hafenadmiral von Plymouth, Offiziere der Küstenwache, ja sogar Dragoneroffiziere aus der Garnison Truro.
    Über ihnen allen begann jetzt die Glocke zu läuten. Hier im Kirchenschiff klang das weit entfernt, aber auf den Hügeln und im Hafen würden Männer und Frauen ihre Botschaft von Sir Richards Ende hören.
    Immer noch drängten Menschen in die Kirche. Matthew, der junge Kutscher; Tom, der Zolleinnehmer; auch der einbeinige Seemann Vanzell, der einst unter Bolitho gedient und entscheidend mitgeholfen hatte, Lady Catherine aus dem stinkenden Gefängnis im Norden Londons zu befreien. Es hatte damals Gerüchte gegeben, wonach Lady Catherines perverser Ehemann sie unter falscher Beschuldigung hatte ins Gefängnis bringen und deportieren lassen wollen – mit Unterstützung von Bolithos Frau. Was mochte Lady Belinda in diesem Augenblick empfinden, während sie mit ihrer eleganten Begleiterin flüsterte? Stolz auf ihren toten Mann? Oder Genugtuung, daß auch ihre Rivalin umgekommen war? Immer wenn sie sich in der Kirche umschaute, meinte Ferguson, nur Verachtung in ihrem Blick zu entdecken und Abscheu vor einem Leben, das sie in dieser alten Hafenstadt einst geführt hatte.
    In einigen Monaten, vielleicht auch früher, mußten dann die Erbschaftsangelegenheiten geregelt werden. Squire Roxby hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, daß er alle Besitzungen Bolithos nur zu gern übernehmen und seinem eigenen Besitz angliedern würde. Das würde sie wenigstens für Nancy und ihre beiden Kinder sichern. Belinda hatte sicher ein Legat zu erwarten, mit dem sie ihr elegantes Leben in dem großen Londoner Haus fortsetzen konnte. Ferguson spürte, wie seine Frau wieder nach seiner Hand griff, denn Kapitän Adam Bolitho kam jetzt den Gang hinunter und nahm in der Familienbank Platz.
    Ferguson hielt Adam für den einzigen, der in der Lage war, den Familienbesitz zu bewahren und damit das Auskommen aller, die dort lebten und arbeiteten. Auch dieser Gedanke brachte ihn wieder auf Allday. Wie stolz er gewesen war, hier mit dazu zu gehören. Wie einer von der Familie, hatte er oft genug gesagt.
    Kapitän Adam gab dem Gemeindepfarrer die Hand; der Gottesdienst würde also gleich beginnen. Es war ein Tag, an den sich alle erinnern würden – aus ganz verschiedenen Gründen. Ferguson sah, wie Keens junge Witwe sich vorbeugte, um Adam mit den Augen zu suchen. Im nächsten Monat sollte er vollen Kapitänsrang erhalten und hatte sich schon darauf gefreut, mit der so begehrten zweiten Epaulette auf der Schulter seinem Onkel gegenüberzutreten.
    Ferguson hatten die häufigen Besuche Adams nervös gemacht. Nur weil dieser beharrlich behauptet hatte, daß Bolitho noch am Leben sei und zurückkehren würde, verdrängte Ferguson den naheliegenden Verdacht, zwischen Adam und Zenoria Keen bahne sich eine Beziehung an.
    Die Glocke schwieg, Stille senkte sich über die Gemeinde.
    Die frohen Farben der Fenster glitzerten im Licht der Mittagssonne.
    Der Pfarrer stieg auf die Kanzel und musterte die vollen Bänke. Nicht viele junge Gesichter, dachte er traurig. Und jetzt, da der Krieg auch Portugal und Spanien überrannte, würden noch mehr junge Männer davonziehen und nie mehr zurückkehren.
    Ganz hinten in der Kirche saß auf zwei Kissen, so daß sie über die Schultern der Leute schauen konnte, Jonas Polins Witwe. Er war einst Mastersgehilfe auf der
Hyperion
gewesen. Sie sah die vielen Menschen und dachte doch immer nur an den einen Mann, der sie damals auf dem Feldweg vor Räubern gerettet hatte. Nie wieder würde der Bootssteurer des Admirals im
Stag’s Head
, ihrer Kneipe in Fallowfield, seinen Rum trinken. Sei doch nicht dumm, hatte sie sich immer wieder gesagt, er hat es nicht ernst gemeint. Aber je mehr Zeit verstrich, desto stärker fühlte sie John Alldays Verlust. Ihr kam es vor, als sei sie betrogen worden. Sie schloß die Augen, als der Pfarrer begann: »Wir wissen alle, warum wir uns heute hier

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