Das letzte Riff
versammelt haben …«
Ferguson schaute sich blicklos um. Und Catherine Somervell – wer trauerte um sie? Er sah sie wieder vor sich über den Klippen, das Gesicht braun von der Sonne, das Haar wie ein Banner im Wind wehend. Und erinnerte sich, was er von Allday über sie erfahren hatte: Sie hatte ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um Herricks sterbende Frau zu retten. Tausend Dinge hatte sie getan, das meiste natürlich für Sir Richard. Wenigstens waren sie zusammen gestorben.
Ein Mann saß in einer der hinteren Bänke, vor der Masse der Leute durch einen Pfeiler fast verdeckt. Er war groß und hager, mit dunklen, tiefliegenden Augen: Sir Paul Sillitoe zollte den Toten seinen Respekt. Er war ganz in Grau gekleidet, war unangekündigt und uneingeladen aus London gekommen, und seine schöne Kutsche hatte manch neugierigen Blick auf sich gezogen, als sie vor der Kirche hielt.
Ferguson war nicht der einzige, der um Catherine trauerte. Sillitoe war auf seiner langen Fahrt von London her klar geworden, daß er tieferen Schmerz über den Verlust von Bolithos Geliebter empfand als über den Tod des Admirals. Über die Gründe gab er sich keine Rechenschaft.
»Niemals werden wir die Dienste vergessen, die diese Familie, eine von uns, ihrem Land leistete …« fuhr der Pfarrer fort. Aber dann unterbrach er sich, weil er aus langer Erfahrung spürte, daß die Aufmerksamkeit der Gemeinde nicht mehr seinen Worten galt.
In der Ferne entstand Lärm. Man rief und brüllte wie vor einer Kneipe, und Roxby, der sich mit blitzendem Blick umschaute, zischte ärgerlich: »Was denken sich diese Dummköpfe eigentlich?«
Alle beobachteten schweigend, wie Adam Bolitho plötzlich aufstand und ohne die übliche Verbeugung vor dem Altar schnell durch den Gang zum Portal schritt. Er sah niemanden an, und als er an Ferguson vorbeiging, hatte der Verwalter den Eindruck, der Kapitän wandle im Traum.
Adam trat an die Tür und öffnete beide Flügel. Wäßriges Licht flutete in die Kirche. Jetzt standen alle und schauten nach draußen; der verblüffte Pfarrer sah plötzlich nur Rücken vor sich.
Der Platz vor der Kirche war berstend voll. Eine Postkutsche, offenbar gerade angekommen, wurde umlagert von jubelnden und lachenden Menschen. Und alle überragten zwei grinsende Marineoffiziere auf schaumbedeckten Pferden. Man jubelte ihnen wie Helden zu.
Adam erstarrte, als er in einem der beiden seinen eigenen Ersten Offizier erkannte. Dieser versuchte, sich über dem Lärm verständlich zu machen, doch Adam verstand kein Wort.
Ein Mann, den er nie zuvor gesehen hatte, rannte ihm entgegen und schüttelte ihm beide Hände.
»Sie leben, Sir! Ihr Offizier hat die Nachricht gerade aus Plymouth gebracht!«
Dem Leutnant gelang es, sich einen Weg zu Adam zu bahnen. Sein Hut saß schief, aber er rief strahlend: »Alle sind gerettet, Sir! Ein verdammtes Wunder, wenn Sie mich fragen, Sir.«
Adam geleitete ihn in die Kirche, wo Zenoria mit Keens Schwestern vor dem Hochaltar stand. Leise fragte er seinen Ersten Offizier: »Alle? Wirklich alle?« Der Leutnant nickte. »Ja, alle, Sir!«
»Ich muß es dem Pfarrer sagen.« Damit schritt Adam weiter nach vorn.
»Das hat er gut aufgenommen«, sagte der Erste zu seinem Begleiter. »Hatte mehr Vertrauen als ich, unser Kommandant.«
Vor dem Altar drehte Adam sich um und hob die Hände.
»Sie sind alle gerettet und am Leben!«
Er sah Zenoria weinend in die Arme einer von Keens Schwestern sinken. Weit hinter ihr stand Belinda, die in ihrem Schwarz jetzt seltsam deplaziert wirkte.
Im Schatten des Pfeilers griff Sir Paul Sillitoe nach seinem Hut und sah im Umdrehen hinter sich auf einigen Kissen eine Frau sitzen und weinen. Sie schluchzte laut, aber nicht vor Schmerz.
»Jemand, den Sie lieben?« fragte er bewegt.
Sie knickste und wischte sich die Augen. »Nur ein einfacher Mann, Sir.«
Sillitoe lächelte ihr zu. »Wir sind alle nur einfache Männer, meine Liebe. Das sollten wir nie vergessen!«
Er trag auf den Platz voller Jubelnder hinaus, gefolgt vom fröhlichen Läuten der Glocke. Seine erste Begegnung mit Catherine fiel ihm ein, auf dem Empfang, den Admiral Godschale gegeben hatte. Damals hatte sie sich dagegen gewehrt, daß Bolitho nach allem, was er durchgemacht hatte, sobald wieder eingesetzt wurde; schließlich stünden ja noch andere Flaggoffiziere zur Verfügung. Sillitoe hörte wieder seine Antwort darauf:
Sie alle sind gute Kommandanten und
haben auch das Vertrauen der Flotte. Aber Bolitho hat ihre
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