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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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gebraucht. Sir Richard wurde nach Westindien abkommandiert, um den Oberbefehl über angeblich vierzehn Linienschiffe zu übernehmen.« Er wies auf den Stapel Papier.
    »Aber was haben ihm Ihre Lordschaften tatsächlich anzubieten? Sechs statt vierzehn Linienschiffe und eine statt drei Fregatten! Es ist immer das Gleiche. Darum werden Ihre Erfahrung und Ihr Können so dringend benötigt. Denken Sie an Sir Richards Neffen. Adam war auch mal sein Flaggleutnant, aber jetzt hat er vollen Kapitänsrang und ist Kommandant einer guten Fregatte.«
    Jenour wollte sich nicht mit Adam Bolitho vergleichen. Der ähnelte seinem Onkel zu sehr, hatte nur irgendwoher ein ungeduldiges Temperament – ein Erbe seines toten Vaters?
    Jenour seufzte. »Danke für Ihren Rat, Sir.«
    Keen wartete, bis Jenour die Kajüte verlassen hatte, und begann dann, sich selber für die See vorzubereiten. Wenn der Anker erst mal oben und gekattet war, würde er als Kommandant das Achterdeck erst wieder verlassen, wenn das Schiff sicher die Enge zwischen dem Festland und der Isle of Wight passiert und die Needles klar achteraus hatte. Dann Kurs Südwest auf offenes Wasser, wo die Ungeübten Erfahrung sammeln konnten – oder es nie kapieren würden. Und danach kam der große Atlantik.
    Überall waren Schritte zu hören und gelegentlich Rufe, gedämpft durch die Entfernung und das dicke Holz – Zeichen für die gespannte Geschäftigkeit, wenn ein Linienschiff Segel setzte. Oben, hoch über dem schwankenden Rumpf, würden manche Angst haben, bei Starkwind oder Sturm nach außen zu klettern und die Geheimnisse oder Schrecken des Segelsetzens, des Reffens und des Segelbergens zu lernen. Da oben blieb kaum Raum für die anderen Gedanken, keine Zeit, an das Zuhause zu denken, das man vielleicht nie wiedersehen würde. Es waren Männer, die Preßgangs mitleidslos in den Gassen und Straßen Englands eingefangen hatten. Seltsam: Wer schon in der Königlichen Marine diente, auch wenn er gepreßt worden war, sah keinen Grund, andere vor dem gleichen Schicksal zu bewahren.
    Keen ging auf die Backbordseite seiner Kajüte und blickte durch das nasse Glas der Heckgalerie. Verwaschen, wie ein Bild, das man im Regen vergessen hatte, lagen die grauen Festungsanlagen vor ihm; rot, fast fröhlich glänzten die Hausdächer. Er erinnerte sich, wie riskant er sein Schiff durch die enge Hafeneinfahrt gebracht hatte, so daß Julyan, der Master, meinte: »Lieber Gott, ich dachte schon, wir würden dem alten
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die Veranda absegeln!«
    Hatte er sich so verändert? Hatte sie soviel bei ihm ausgelöst? Was hatte er denn erwartet? Er liebte Zenoria. Warum war er so überrascht, daß sie endlich entdeckt hatte, wie sie seine Liebe erwidern konnte? Oder war es noch immer nur Dankbarkeit? Er glaubte es nicht. Lange, lange hatte sie ihn umarmt, hatte leise geweint und etwas an seiner Brust gemurmelt. Er war wie betäubt gewesen, als sie seine Lippen an ihre jungen Brüste führte, seinen Mund auf die Knospen preßte, bis ihm fast die Sinne schwanden. Doch sie ließen sich Zeit. Zenoria lag nackt auf dem Bett, und im Licht des flackernden Kaminfeuers war die lange Narbe auf ihrem Rücken erkennbar. Nie zuvor hatte er sie so sehen dürfen. Sie hatte ihn über ihre nackte Schulter angeschaut und geflüstert: »Nimm mich, wie du magst. Ich fürchte mich nicht mehr.« Ihre Stimme wurde leiser, als er sie mit beiden Armen umfing. »Denn ich liebe dich so sehr …«
    So ging es, bis Keen seine Befehle für Portsmouth erhielt: Leidenschaft, Erkundung, Erfüllung. Der Abschied fiel beiden schwer, und in seinem Herzen blieb ein Schmerz zurück, den er früher nie gekannt hatte. Kein Wunder, daß er nach solchen ekstatischen Erfahrungen auch anders mit seinem Schiff umging.
    Sedgemore trat ein und sah sich in der Kajüte um, in der einst die Mitglieder des Kriegsgerichts in den Pausen ihre Erfrischungen zu sich genommen hatten. »Sir Richard Bolithos Barkasse hat gerade vom Ufer abgelegt, Sir«, meldete er.
    »Sehr gut.« Keen schaute auf seine Uhr. Wieder ein Abschied, aber diesmal einer voller Hoffnung. Zenoria würde nach seiner Rückkehr auf ihn warten. Jetzt wußte er, warum ihn die Erlebnisse in der Jolle so kalt gelassen hatten: Er hatte nichts zu verlieren gehabt, es war ihm letztlich gleichgültig gewesen, ob er lebte oder starb. Dies hatte sich nun geändert.
    »Es läuft eine starke Strömung, Sir.«
    Keen nickte, in Gedanken immer noch bei Zenoria. Sie hatte, manchmal auch am

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