Das Letzte Ritual
Dóra.
»Ja«, antwortete der Arzt. »Ungewöhnlich deshalb, weil die Angehörigen einen Bevollmächtigten bestimmt haben, der die Ergebnisse der Obduktion erhalten soll, wobei es sich auch noch um einen ausländischen Staatsbürger handelt. Zeitweise dachte ich, der Tote müsse den Antrag persönlich unterschreiben, damit die Erlaubnis gewährt wird.« Er lächelte ihnen wieder zu.
Dóra erwiderte dieses Lächeln höflich, wobei sie aus den Augenwinkeln sah, dass Matthias’ Gesicht erstarrt war.
Der Arzt wendete seinen Blick ab und fuhr fort. »Tja, nicht nur der darauf folgende Papierkrieg machte diesen Fall zu einem ganz besonderen. Das sollte Ihnen klar sein, bevor wir beginnen.« Der Arzt blickte sie an und lächelte wieder. »In der Tat eine der merkwürdigsten und außergewöhnlichsten Obduktionen, die ich je gemacht habe, und ich habe während meines Studiums im Ausland schon allerhand gesehen.«
Dóra und Matthias schwiegen und warteten, wobei Dóra viel wissbegieriger wirkte als Matthias, der zur Salzsäule erstarrt war.
Der Arzt räusperte sich und öffnete den Ordner. »Wir sollten dennoch mit den Dingen beginnen, die man als einigermaßen normal bezeichnen kann.«
»Unbedingt«, stieß Matthias hervor, während Dóra versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. Sie wollte lieber das Außergewöhnliche hören.
»Also, die Todesursache ist Ersticken durch Blockierung der Atemwege«, erklärte der Arzt und tippte leicht auf den Aktenordner. »Wenn wir fertig sind, gebe ich Ihnen eine Kopie des Obduktionsberichts, wenn Sie möchten. Bei der Todesursache geht es vor allem darum, wie der Tote erstickt wurde, und zwar glauben wir, dass das mit einem Stoffgürtel geschehen ist, nicht mit einem Ledergürtel. Der Täter muss dabei sehr viel Kraft angewendet haben, denn die Wunde am Hals ist beträchtlich. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Druck länger andauerte, als eigentlich nötig war, um das Opfer außer Gefecht zu setzten, aus welchem Grund auch immer – vermutlich blinder Hass oder Raserei.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Dóra.
Der Arzt stöberte in der Mappe und holte zwei Fotos hervor. Er legte sie vor sich auf den Tisch und schob sie dann zu Dóra und Matthias. Sie zeigten Haralds stark verwundeten Hals. »Wie Sie sehen, ist die Haut an den Rändern der Würgemale stellenweise eingedrückt und von der Reibung versengt. Dies deutet darauf hin, dass der Gegenstand eine raue Oberfläche und keine gleichmäßige Form hatte. So wie die Wunde aussieht, muss er ungleichmäßig breit gewesen sein.« Der Arzt hielt inne, während er auf das andere Foto zeigte. »Bemerkenswert sind auch die Anzeichen einer älteren Wunde weiter unten am Hals, bei weitem nicht so schlimm, aber dennoch beachtenswert.« Er schaute die beiden an. »Fällt Ihnen dazu etwas ein?«
Matthias kam Dóra zuvor. »Nein, nichts.« Dóra hielt sich zurück, obwohl sie sich vorstellen konnte, wie diese Wunde entstanden war.
»Mit dem Mord hat das wohl nichts zu tun, aber man weiß ja nie.« Der Arzt schien sich mit Matthias’ Antwort zufriedenzugeben, zumindest ging er nicht weiter darauf ein. Er deutete auf das zweite Foto, das ebenfalls Haralds Hals in starker Vergrößerung zeigte. »Dieses Foto ist aufschlussreicher, denn hier sieht man, wie sich ein Metallgegenstand, eine verzierte Gürtelschnalle oder ein anderes unbekanntes Teil des verwendeten Gürtels, in den Hals des Ermordeten gebohrt hat. Wenn Sie genau hinsehen, erkennen Sie, dass es am ehesten die Form eines kleinen Dolches hat – es kann jedoch auch etwas ganz anderes sein; es handelt sich schließlich nicht um einen Gipsabdruck.«
Dóra und Matthias beugten sich über das Foto, um besser sehen zu können. Der Mann hatte Recht. Am Hals befand sich der deutliche Abdruck eines Gegenstandes. Anhand einer Skala neben dem Foto war zu erkennen, dass er ungefähr acht bis zehn Zentimeter lang gewesen sein musste. Die Umrisse am Hals glichen einem kleinen Dolch oder Kreuz. »Und was ist das?«, fragte Matthias und zeigte auf zwei Wunden auf beiden Seiten des Abdrucks.
»Der kleine Gegenstand scheint auf etwas Scharfkantigem befestigt gewesen zu sein. Die Haut wurde durch den Druck eingerissen. Mehr lässt sich daraus nicht schließen.«
»Was ist mit diesem Gürtel oder was auch immer es war?«, fragte Matthias. »Hat man ihn gefunden?«
»Nein«, antwortete der Arzt. »Der Täter muss ihn beseitigt haben. Er glaubte bestimmt, wir würden darauf
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