Das Letzte Ritual
wenn ihr euch das Blatt wenigstens mal anschauen würdet«, sagte Matthias ironisch. Keiner hatte auch nur einen Blick auf die Zeichnung geworfen.
»Die Bullen haben uns diese Rune auch gezeigt. Wir wissen genau, worauf du hinauswillst«, entgegnete Marta Maria. Sie legte lässig ihre Hand auf Halldórs Oberschenkel.
»Okay – hab ich verstanden. Aber könnt ihr uns vielleicht darüber aufklären, was mit dem ganzen Geld passiert ist, das Harald kurz vor seinem Tod ins Land gebracht hat?«, fragte Matthias dann.
»Nein, darüber wissen wir nichts,« sagte Marta Maria. »Wir waren Haralds Freunde, nicht seine Steuerberater.«
»Hat er etwas gekauft oder davon gesprochen, dass er vorhatte, etwas zu kaufen?«, fragte Dóra, wobei sie sich an Bríet wendete, von der sie am ehesten annahm, dass sie die Wahrheit sagte.
»Er hat ständig was gekauft«, antwortete Bríet und warf Marta Maria und Halldór einen Blick zu. Als sie Martas Hand auf Halldórs Oberschenkel sah, drehte sie sich wieder zu Dóra und fügte hinzu: »Wenn nicht für sich selbst, dann für Halldór. Sie standen sich sehr nahe.« Sie lächelte scheinheilig.
Dóra sah, wie Halldór die Röte ins Gesicht stieg. »Was hat er für dich gekauft und warum?«
Halldór rutschte unruhig auf dem Sofa hin und her. »Er hat nicht direkt Sachen für mich gekauft. Er hat mir manchmal das eine oder andere geschenkt, als Dank für meine Hilfe.«
Dóra ließ nicht von ihm ab. »Was denn?«
Halldór errötete noch mehr. »Ach, so allerlei.« Er ließ sein Haar wieder in die Stirn fallen.
Matthias schlug sich erneut auf den Schenkel – noch bestimmter als beim ersten Mal. »Also dann, liebe Leute. Ich habe eine Idee. Marta Maria, Bríet, Brjánn und Andri – ihr sagt, ihr wisst nichts, daher seid ihr keine große Hilfe für uns. Wie wär’s, wenn ihr einfach nach Hause geht und lernt oder an die Uni geht oder tut, womit auch immer ihr gerade beschäftigt seid – und Dóra und ich sprechen in aller Ruhe mit Halldór?« Er richtete seine Worte an Halldór. »Wäre das nicht am besten? Das ist bestimmt nicht so verkrampft.«
»Was soll der Scheiß?«, zischte Marta Maria. »Halldór weiß auch nicht mehr als wir.« Sie wendete sich an Halldór. »Du musst nicht bleiben. Wir gehen alle zusammen.«
Halldór sagte erst nichts, schob dann aber ihre Hand von seinem Oberschenkel und zuckte die Achseln. »Okay.«
»Okay? Was ist okay? Kommst du mit?«, fragte Marta Maria nervös.
»Nein«, antwortete Halldór. »Ich bringe das zu Ende. Ich bleibe.«
Marta Marias Gesicht verdunkelte sich vor Wut, aber sie riss sich zusammen und tat so, als sei nichts geschehen. Bevor sie sich erhob, beugte sie sich zu Halldór und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er nickte abwesend. Dóra beobachtete, wie sie ihn leicht auf die Stirn küsste, während Bríet so tat, als sähe sie es nicht. Andri und Brjánn waren vollkommen damit beschäftigt, ihre Zigaretten auszudrücken und aufzustehen. Sie waren spürbar erleichtert.
22. KAPITEL
Matthias begleitete die anderen zur Tür. Währenddessen blieben Dóra und Halldór in dem modernen Wohnzimmer sitzen, umringt von den Schrecken der Vergangenheit. Dóra hatte Mitleid mit dem jungen Mann, der jetzt lieber an einem anderen Ort wäre. Die Umstände erinnerten sie auf gewisse Weise an ihren eigenen Sohn – ein junger Mann, mitten in einer inneren Zerreißprobe, dem es schwerfiel, davon zu erzählen.
»Dir ist hoffentlich klar, dass wir nur die Wahrheit wissen wollen. Irgendwelche Dummheiten, in die ihr möglicherweise verwickelt seid, interessieren uns nicht«, sagte sie, um das Schweigen zu durchbrechen und die angespannte Atmosphäre zu lockern. »Beim wichtigsten Punkt stimmen wir dir im Grunde zu – Hugi ist unschuldig oder hat zumindest nicht alle Taten begangen, die man ihm anhängen will.«
Halldór schaute sie nicht an. »Ich glaube nicht, dass Hugi ihn getötet hat«, sagte er leise. »Das ist alles völliger Unsinn.«
»Du hängst offenbar an deinem Freund«, sagte Dóra. »Wenn du ihm helfen möchtest, ist es am allerbesten, uns nichts zu verheimlichen. Denk dran, dass dein Freund zurzeit nur von uns Hilfe zu erwarten hat.«
»Hm«, murmelte Halldór.
Matthias kam zurück und ließ sich auf den Stuhl fallen. Er musterte Halldór eine Weile nachdenklich. »Eine komische Clique hast du da. Die Mädchen sind sich auf dem Weg nach draußen nicht gerade in die Arme gefallen.«
Halldór zuckte mit den Schultern. »Die sind in
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