Das Letzte Ritual
der letzten Zeit nicht so gut drauf.«
»Du sagst es. Tja, dann kommen wir doch am besten zum Thema«, sagte Matthias.
»Von mir aus«, entgegnete Halldór. »Fragt einfach und ich versuche zu antworten.« Er nahm eine Zigarette und zündete sie an. Dóra bemerkte, dass seine Hände zitterten.
»Gut, mein Junge«, sagte Matthias väterlich. »Wir interessieren uns für ein paar Dinge, bei denen du uns zweifellos behilflich sein kannst. Das eine ist Haralds Geldverschwendung und das andere sind seine historischen Forschungen, bei denen du ihm wohl geholfen hast. Was kannst du uns über die Geldangelegenheiten sagen?«
»Geldangelegenheiten? Glaubt bloß nicht, ich hätte das alles so genau mitgekriegt. Jeder Depp hat natürlich sofort gemerkt, wie wohlhabend Harald war.« Halldór machte eine ausladende Handbewegung und zuckte dann die Achseln. »Die wenigsten Studenten haben eine solche Wohnung. Sein Auto war auch nicht zu verachten und er ging oft essen. Das ist leider nicht der Lebensstil, den ich und die anderen uns leisten können.«
»Ging er immer allein essen?«, fragte Dóra. »Da ihr anderen doch arme Studenten seid.«
Die Frage war ihm offenbar unangenehm. »Ja, manchmal.« Er zog an seiner Zigarette. »Manchmal bin ich mitgegangen. Da hat er mich eingeladen.«
»Was hat er sonst noch für dich bezahlt?«, fragte Matthias.
Halldór wurde von einem plötzlichen Interesse für den Aschenbecher gepackt. Er wendete seinen Blick von den beiden ab und starrte in die Kippen, als fände sich dort die Antwort auf die Frage. »Tja, alles Mögliche.«
»Das ist keine Antwort«, sagte Dóra ruhig. »Erzähl es uns – wir sind nicht hier, um über dich oder Harald zu urteilen.«
Ein kurzes Schweigen und dann: »Er hat alles für mich bezahlt. Miete, Lehrbücher, Klamotten, Taxis. Haschisch. Einfach alles.«
»Warum?«, fragte Matthias.
Halldór zuckte die Achseln. »Harald meinte, er hätte nun mal so viel Geld und könnte damit machen, was er will – wenn er unbedingt etwas haben wollte, könnte er eben nicht darauf verzichten, nur weil seine Freunde keine Kohle hätten. Es war mir total peinlich, aber ich war völlig pleite und es hat tierisch Spaß gemacht, mit ihm zusammen zu sein. Es gab nie irgendwelche Probleme. Ich hab versucht, mich zu revanchieren, indem ich ihm bei den Übersetzungen und so geholfen habe.«
»Und so?«, fragte Matthias.
»Ach nichts.« Er wurde wieder rot. »Es hatte nichts mit Sex zu tun, falls ihr das meint. Weder Harald noch ich waren, äh sind, andersrum. Wir hatten genug Spaß mit den Mädels.«
Dóra und Matthias warfen sich einen Blick zu. Die Ausgaben, von denen Halldór sprach, waren im Vergleich zu der verschwundenen Summe ein Taschengeld. »Hat Harald kurz vor seinem Tod eine größere Investition getätigt?«, fragte Matthias.
Halldór schaute auf. Sein Blick war aufrichtig. »Keine Ahnung. Davon hat er nichts erzählt. Ich hab ihn allerdings in der Woche vor seinem Tod kaum gesehen – er war irgendwie beschäftigt und ich musste sowieso was für die Uni tun.«
»Und du weißt nicht, womit er beschäftigt war und warum er euch in der letzten Zeit aus dem Weg ging?«, warf Dóra ein.
»Nein, ich hab ein paar Mal mit ihm telefoniert und er hatte einfach keine Lust, was zu unternehmen. Ich weiß nicht, warum.«
»Als er ermordet wurde, hattest du ihn also ein paar Tage lang nicht gesehen, oder wie?«, fragte Matthias.
»Nee – nur mit ihm telefoniert.«
»Kam dir das nicht komisch vor? Oder zog er sich öfter tagelang zurück?«, fragte Matthias weiter.
Halldór überlegte. »Ich hab nicht weiter drüber nachgedacht, aber jetzt, wo du es sagst – es war schon ungewöhnlich. Ist jedenfalls vorher noch nie passiert.«
»Hast du dich da nicht über ihn geärgert?«, fragte Dóra. In Anbetracht der Tatsache, wie viel Zeit die beiden miteinander verbracht hatten, musste es für den Jungen komisch gewesen sein, seinen besten Freund ein paar Tage lang ohne Erklärung nicht zu sehen.
»Nee, nicht direkt. Ich hatte viel in der Uni zu tun. Außerdem hatte ich Schichten und so. Genug andere Dinge.«
»Du arbeitest im Landeskrankenhaus in Fossvogur, nicht wahr?«, fragte Dóra. Halldór nickte. »Wie schaffst du es denn, gleichzeitig zu arbeiten, Medizin zu studieren und so viel auszugehen?«
Halldór zuckte mit den Schultern. »Es ist keine volle Stelle, ich übernehme ein paar Vertretungsschichten, das ist alles. Ich arbeite im Sommer in den Semesterferien und im
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