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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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hatte vorher schon ein bisschen mit Harald gequatscht und er hat mich gefragt, ob ich eintreten will. Andri hab ich spaßeshalber mitgenommen.« Besagter Andri grinste nur dumpf.
    »Und worum ging es in diesem Verein, wenn ich fragen darf? Wenn wir Hugi richtig verstanden haben, handelte es sich hauptsächlich um Saufgelage – getarnt als Treffen von Interessierten an Hexerei«, erklärte Matthias.
    Die drei Jungen feixten, während Marta Maria ein beleidigtes Gesicht aufsetzte und empört sagte: »Saufgelage? Das waren nicht irgendwelche Saufgelage. Wir haben uns mit Magie und der Hexenkultur vergangener Zeiten vertraut gemacht. Das ist nicht irgendeine verrückte Wissenschaft, sondern wirklich interessant. Dass wir uns nach den Treffen auch ein bisschen amüsiert haben, tut nichts zur Sache. Hugi ist einfach nur durchgeknallt. Er hatte mit dem Verein nie richtig zu tun.« Marta Maria lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Sie zog immer noch eine Flunsch und starrte Matthias und Dóra wütend an. »Ihr habt natürlich keine Ahnung, worum es geht, genau wie alle anderen – denkt wahrscheinlich, wir köpfen Hühner und piksen Stricknadeln in selbst gebastelte Puppen.«
    »Möchtest du uns dann nicht in das Geheimnis der Hexerei einweihen?«, fragte Matthias.
    Marta Maria stöhnte schwer. »Ich hab wirklich keinen Bock, hier den Lehrer raushängen zu lassen. Es reicht, wenn ihr kapiert, dass Hexerei nichts anderes ist als der Versuch, auf ungewöhnliche Weise Einfluss auf das eigene Leben zu nehmen – zumindest ungewöhnlich in den Augen heutiger Menschen. Seinerzeit war das ganz normal. Es geht vor allem darum, bestimmte Rituale durchzuführen, um das Schicksal zu beeinflussen – manchmal auf Kosten anderer, manchmal nicht. Indem man einen Zauberspruch ausführt, bewegt man sich meiner Meinung nach auf ein bestimmtes Ziel zu. Anschließend konzentriert man sich besser auf dieses Ziel und es fällt einem deshalb leichter, es zu erreichen.«
    »Kannst du mir solche Ziele nennen?«, fragte Dóra.
    »Die Liebe einer anderen Person auf sich zu lenken oder Berühmtheit zu erlangen, zu heilen, einem Feind zu schaden. Es gibt eigentlich keine festgelegten Ziele. Die meisten alten Zaubersprüche sind natürlich mit den menschlichen Grundbedürfnissen verknüpft – das Leben war damals noch nicht so kompliziert und vielfältig wie heute.«
    Da war Dóra nach der Lektüre des Hexenhammers anderer Meinung. In ihren Augen war es ziemlich kompliziert, jemanden in einem Rechtssystem verteidigen zu müssen, das parteiisch war und die Spielregeln je nach Interessen der Anklage veränderte.
    »Und was braucht man, um einen Zauberspruch auszuführen?«, fragte sie. Dann fügte sie, um Marta Maria zu ärgern, hinzu: »Außer lahmen Hühnern und handgenähten Puppen?«
    »Sehr witzig«, entgegnete Marta Maria, ohne zu lachen. »In Island verwendete man vor allem Zauberrunen – allerdings reichte es zur Ausführung des Zauberspruchs meistens nicht, die Runen zu ritzen oder zu zeichnen. Zauberrunen sind auch andernorts in Europa bekannt und dort gilt dasselbe wie in Island – meistens gehört mehr dazu, als sie zu zeichnen.«
    »Was denn?«, insistierte Matthias.
    »Einen Vers aufsagen, Tierknochen sammeln, Menschenknochen, das Haar einer Jungfrau. Solche Dinge. Nichts Schlimmes«, antwortete Marta Maria mit kalter Stimme.
    »Ja, und manchmal Körperteile von Verstorbenen«, warf Bríet ein. Alle verstummten. Bríet errötete und hielt den Mund.
    »Ach ja?«, sagte Matthias mit geheucheltem Erstaunen. »Was denn zum Beispiel? Hände? Haare?« Er machte eine kurze Pause. »Oder vielleicht Augen?«
    Niemand sagte ein Wort, bis Marta Maria einlenkte. »Ich persönlich hab nie etwas über Zaubersprüche gelesen, für die man Menschenaugen braucht – nur Tieraugen.«
    »Und die anderen? Kennt ihr solche Zaubersprüche?«, fragte Matthias.
    Keiner sagte etwas, alle schüttelten die Köpfe. »Nö«, tönte Brjánn.
    »Und Finger?«, fügte Dóra schnell hinzu. »Habt ihr schon mal von Zaubersprüchen gelesen, für die man Finger braucht?«
    »Nein.« Halldórs Stimme klang bestimmt. Er strich sich zur Bekräftigung das Haar aus der Stirn und schaute Dóra und Matthias direkt in die Augen. »Wir haben ganz bestimmt keine Zaubersprüche ausgeführt, bei denen menschliche Körperteile verwendet werden. Ich weiß, worauf ihr hinauswollt, aber das ist vollkommen abwegig. Wir haben Harald nicht umgebracht – das könnt ihr

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