Das letzte Sakrament
in den zwei Jahren zuvor. Aber glauben Sie nicht, dass ich stolz darauf bin.« Der Vikar bekreuzigte sich und sah die Kommissarin mit festem Blick an. »Ich habe nur überlebt, weil Gott noch eine Aufgabe für mich hat. Einzig aus diesem Grund lebe ich noch.«
43
Roger Simovic lächelte. Es war kein vorgespieltes Lächeln wie jenes, das er den Wärtern in seiner Besenkammer schenken würde. Gefängnis konnte man diesen Lagerraum ja wohl kaum nennen. Jeder Durchschnittskriminelle würde hier in weniger als fünf Minuten entwischen.
Aber er brauchte nicht auszubrechen, er würde entlassen werden. Jeder würde darin das Eingeständnis des Vatikans sehen, dass er unschuldig war. Seine Freilassung würde ihn wieder in die Schlagzeilen bringen. Und deswegen setzte er schon mal sein breites Gewinnerlächeln auf.
Simovic überlegte, ob er eine Sonnenbrille tragen sollte, um sich vor dem Blitzlichtgewitter der Fotografen zu schützen. Er entschied sich dagegen. Schließlich war er kein Verbrecher, der unerkannt bleiben wollte. Im Gegenteil. Er wollte erkannt werden! Er würde seinen Auftritt zelebrieren. Er hatte sich sogar schon ein paar Worte für eine kleine Ansprache zurechtgelegt.
Sie alle haben vor Kurzem ein Wunder erlebt , würde er sagen. Dass ich heute die Freiheit wiedererlange, zeigt, das Wunder geht weiter. Dann würde er ein paar Worte über seinen furchtbaren Gefängnisaufenthalt im Vatikan sagen und am Schluss ein Versöhnungsangebot machen. Ja, er würde dem Papst anbieten, mit ihm persönlich über den neuen Jesus zu diskutieren. Natürlich würde der Heilige Vater nicht sofort darauf eingehen, aber der Druck der Öffentlichkeit würde immer größer werden, und dann würde selbst der Papst weich werden.
Den restlichen Tag nach seiner Freilassung hatte Simovic auch schon verplant. Er würde Fernsehinterviews geben, natürlich nur den großen Kanälen.
»Wir lassen Sie gehen«, hatte der Blonde gesagt und ihm seine Papiere hingehalten. Dann war der Hüne wieder gegangen. Und jetzt wartete Simovic.
Endlich öffnete sich seine Gefängnistür. Draußen standen zwei Wärter. Einer der beiden Männer kam auf ihn zu, in der Hand hielt er eine Augenbinde. Simovics Gewinnerlächeln fiel in sich zusammen. Der Wärter verband ihm die Augen, legte ihm Handschellen an und führte ihn aus der Zelle. Der zweite Wärter blieb dicht hinter ihm. Simovic fragte nach seinem Mobiltelefon. Der Wärter vor ihm antwortete irgendwas auf Italienisch. Simovic glaubte zu verstehen, dass seine Sachen im Aufnahmewagen lägen. Das klang plausibel, schließlich hatte man das gesamte Equipment konfisziert. Wenn alles gut lief, stand der Wagen inzwischen wieder mit laufender Kamera vor den Toren des Vatikans. In der ersten Reihe. Wo denn auch sonst? Schließlich waren sie BIGNEWS.
Während des Gehens versuchte Simovic unter seiner Augenbinde hindurchzuschauen, doch es gelang ihm nicht. Er glaubte trotzdem spüren zu können, dass es in dem Gang dunkel war. Es roch muffig wie in einer Höhle. Er war immer noch innerhalb der Mauern des Vatikans, womöglich sogar irgendwo unter der Erde. War er diesen Weg auch in den Vatikan hineingeführt worden? Ob sie ihn auf dem Petersplatz freilassen würden?
Nein, da erwarte ich wohl zu viel. Auch nicht weiter schlimm, das Thema bleibt trotzdem in den Schlagzeilen. Und ich mitten drin.
Es hätte gar nicht besser laufen können. Er war zufrieden, sehr zufrieden. Bald war er wieder dort, wo er hingehörte: in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Niemand könnte ihn von dort vertreiben! Er war wunschlos glücklich.
Nun ja, nicht ganz. Eine Sache störte ihn noch, nein, genau genommen sogar zwei: Erstens, er musste den Kontakt zu Professor Wismut wiederherstellen. Und, fast genauso wichtig, seine Haare sahen furchtbar aus. Man hatte ihm während seines Zwangsaufenthalts nicht erlaubt zu duschen, und er wollte der Weltöffentlichkeit nicht als Mann mit den fettigen Haaren in Erinnerung bleiben. Doch mit diesem Wunsch hatte er sich nicht durchsetzen können, sie hatten ihm lediglich eine Baseballkappe gegeben. Ein übergroßes Ding mit dem Konterfei des Papstes drauf. Egal, Hauptsache, das Teil lenkte von seinen Haaren ab.
Immer wieder bogen sie ab, gingen kurz geradeaus und bogen erneut ab. Er war sich nicht sicher, ob sie nicht im Kreis liefen, um ihn zu verwirren. Ihm brannten schon die Füße, seine Lackschuhe waren für längeres Gehen denkbar ungeeignet.
Plötzlich wurde der Wärter vor ihm
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