Das letzte Sakrament
Polizei unterschätzt.« Er legte das kleine Kreuz, das um seinen Hals hing, in seine Handfläche und blickte es an, als könne es ihm Mut zusprechen.
»So sei es denn.« Der Bischof atmete tief durch. »Sie müssen wissen, dass ein Jesuit sich niemals trennt von gewissen Dingen. Mein Bruder Roland hat den Orden nie verlassen.«
Tamara nickte nur.
»Wir pflegen im Bistum einen offenen Umgang miteinander. Geheimnisse kann man nach außen haben, aber nicht nach innen.«
Davon macht ihr wahrscheinlich auch reichlich Gebrauch , dachte sie.
»Mir war schon vor längerer Zeit aufgefallen, dass der Vikar sich nicht mehr an diese Regeln hielt. Sein Zimmer war häufig abgeschlossen, ebenso sein Schreibtisch. Als Vikar Kunen sich nicht wie vereinbart gemeldet hat, bin ich unruhig geworden. Ich habe mit einem Zweitschlüssel des Bistums sein Zimmer und seinen Schreibtisch geöffnet.« Der Bischof räusperte sich. »Leider haben sich meine Befürchtungen bestätigt.«
Er tupfte sich mit dem Taschentuch über die Augen, als würde er Tränen trocknen.
Tamara überlegte, ob die Tränen nur gespielt waren. Nein, wahrscheinlich nicht. Das alles war eine ungeheure Belastung für den Bischof. Er war von seinem engsten Mitarbeiter hintergangen worden und musste nun die Konsequenzen daraus ziehen.
»Ich habe Unterlagen gefunden, die beweisen, dass Vikar Kunen hinter der Gruppe namens Sacramentum steht.«
»Er wollte Proben des Grabtuchs kaufen?«, fragte Tamara. »Ich dachte, er wollte das verhindern?«
»Aus den Unterlagen geht aber hervor, dass er bei allen drei Instituten Proben des Grabtuchs kaufen wollte«, sagte Obrist. »Weswegen auch immer.«
»Das heißt aber nicht zwingend, dass er etwas mit den Morden zu tun hat«, entgegnete Tamara.
»Ich habe noch mehr gefunden«, antwortete der Bischof und seufzte. Er holte ein kleines Ledersäckchen aus seiner Hosentasche und öffnete es. Ein goldener Siegelring glitt in seine Handfläche. Tamara nahm den Ring und betrachtete ihn. Das Siegel zeigte ein Kreuz, es thronte auf drei Buchstaben: IHS.
»Was bedeuten die Buchstaben?«
»Das ist das Abzeichen der Jesuiten«, erklärte der Bischof. »Iesum habemus socium.«
»Und was heißt das?«
» Wir haben Jesus als Gefährten «, antwortete der Bischof. »Gleichzeitig ist es aber auch eine im Mittelalter gebräuchliche Schreibweise für den Namen Jesu.« Er brach ab und schluckte. »Mein Bruder hätte diesen Siegelring niemals aus der Hand gegeben.« Er nahm den Ring zurück und drehte ihn so, dass man die Gravur lesen konnte. »Sehen Sie das?«
»SJ Roland Obrist«, las sie laut.
»SJ steht für Societas Jesu«, erklärte der Bischof. »Jeder Jesuit führt diesen Titel in seinem Namen. Und so wie man diesen Titel niemals ablegt, legt man auch diesen Ring niemals ab.« Wieder tupfte er sich mit dem Taschentuch über die Augen. »Es kann also nur einen Grund geben, dass Vikar Kunen im Besitz dieses Ringes ist.«
Tamara ahnte den schrecklichen Zusammenhang, sagte aber nichts.
»Vikar Kunen hat meinen Bruder ermordet«, sagte der Bischof und bekreuzigte sich. »Und es wird nicht sein letzter Mord sein.«
73
Alex Pandera wünschte Arnold alles Gute. Der Kabinensteward schien es als persönliche Niederlage anzusehen, dass der Gast, für dessen Wohlergehen er zu sorgen hatte, das Schiff verließ. Der schmächtige Mann versuchte den Kommissar zum Bleiben zu überreden, aber es gelang ihm nicht. Erst als Arnold ihm die Hand gab, fiel Pandera auf, dass dem Steward ein Glied des kleinen Fingers fehlte.
»Philippinische Mafia«, bemerkte Arnold und ließ für einen Moment sein Lächeln verschwinden. »Manchmal muss tun, was nicht will, um Familie zu schützen.«
»Auch hier an Bord?«, fragte Pandera.
»Nein, nein!« Er schüttelte den Kopf. »Hier alles okay, Schiff ist in italienisches Hand. Keine Mafia.«
Hätte Arnold nicht so traurig ausgeschaut, hätte Pandera herzhaft lachen müssen. Er umarmte Arnold, dankte ihm noch einmal und ging. An der Rezeption ließ er für Arnold einen Umschlag mit einem Trinkgeld zurück.
Der Kommissar hatte inzwischen herausgefunden, dass die Voyager in Alexandria vor Anker lag. In ein paar Stunden könnte er von Tunis aus dorthin fliegen und schon heute Abend auf dem anderen Schiff sein. Er war sich allerdings nicht sicher, ob er Professor Wismut dort noch finden würde. Zu viel Zeit war vergangen. Vielleicht hatte Wismut es sich auch anders überlegt und war gar nicht auf ein Schiff
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