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Das letzte Sakrament

Das letzte Sakrament

Titel: Das letzte Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kowa
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Die Kirche wäre nicht mehr dieselbe. Kein Jahrhundert würde es dauern, und sie wäre in ihrer heutigen Form ausgelöscht.
    Ausgelöscht wie der römische Heidenglauben, dem dieses mächtige Reich vor dem Christentum gehuldigt hatte. Dem sie Gotteshäuser gebaut hatten wie den Saturntempel oder den Tempel der Vesta, nicht kleiner und weniger prunkvoll als die heutigen Kirchen. Und doch war alles vom christlichen Glauben hinweggefegt worden – oder vereinnahmt, wie das Pantheon. Der römische Heidenglauben war nur noch Legende, ein Überrest einer längst vergangenen Zeit. Und dem Christentum konnte dasselbe Schicksal drohen.
    Das neue Christentum wäre nur noch eine leere Hülle, die mit Populismus, Beliebigkeit oder Opportunismus gefüllt werden könnte. Geklont! Austauschbar, ohne Inhalt, ohne Härte, ohne Prüfung für den Menschen. Mit einem Wort: wertlos!
    Eines war klar: Die Situation spitzte sich zu. Er musste schnell handeln. Verdammt schnell.
    Kunen gab die Zahlenkombination in den Kabinensafe ein und holte den goldenen Schlüssel heraus. Er nahm den ledernen Koffer, den er im Wandschrank aufbewahrte und öffnete ihn. Das goldene Kreuz blitzte ihn so heftig an, als habe es auf ihn gewartet. Seine Zeit war gekommen. Heute Nacht war es so weit!

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    Er war nur ein Schatten. Dunkel, gesichtslos und bedrohlich. Und doch war er real. Er lehnte sich an die Holzverkleidung und zündete sich eine Zigarette an. Natürlich herrschte auf dem Schiff Rauchverbot wie fast überall in der zivilisierten Welt, doch es kümmerte ihn nicht. Das war sein Refugium, bezahlt von seiner Spesenabrechnung. Hier durfte er tun und lassen, was er wollte. An diesem Ort konnte ihm niemand etwas vorschreiben. Es war seine Welt!
    Diese Welt würde nie mehr so sein wie früher, sie würde nie mehr vor den alten Göttern auf die Knie fallen. Vor diesen Götzen, die nichts mehr erklären, nichts mehr schaffen und nichts mehr sagen konnten. Die nichts mehr zu sagen hatten! Die alten Götter waren so tot wie eine platt gedrückte Ratte unter einer Planierraupe.
    Der christliche Glauben ist wie ein Computer ohne Internetanschluss, seit zweitausend Jahren keine Updates. Das war nicht gerade der beste Kundenservice!
    Und die anderen Religionen waren auch nicht besser. Alle bestanden nur noch aus überflüssigem, obsoletem Wissen, aus unsinnigen Verhaltensregeln, die beispielsweise dadurch zu erklären waren, dass es vor zwei Jahrtausenden noch keine Kühlschränke gegeben hatte. Welchen Grund gab es heute noch, kein Schweinefleisch zu essen, wenn man kein eingefleischter Vegetarier oder Rheumatiker war?
    Oder solche Regeln, die damit zu erklären waren, dass vor zweitausend Jahren weder Pille noch Kondom existiert hatten. Natürlich war es heute genauso richtig wie damals, Kinder erst dann in die Welt zu setzen, wenn man sich eine sichere Existenzgrundlage geschaffen hatte. Damals hatte das aber bedeutet, auf Geschlechtsverkehr vor der Ehe zu verzichten. Heute führte diese Einstellung nur noch zu Teenagerschwangerschaften oder verklemmtem Sex, je nach Willensstärke der Gläubigen.
    Trotz all der Aufklärung hängten die Menschen nach wie vor Kruzifixe in Schulklassen oder stürzten sich mit vollgetankten Flugzeugen in Hochhäuser. Was, so fand er, im Grunde dasselbe war: falsche Taten, begangen aus einem falschen Glauben heraus.
    Man soll nur deswegen glauben wie ein Kind, weil man Kinder so schön verarschen kann. Weil man Kindern alles erzählen kann. Weil sie an den Klapperstorch, an den Osterhasen und an den Weihnachtsmann glauben. Weil Kinder nicht wissen können, dass die Jungfrauengeburt nur eine kümmerliche Ausrede für misslungene Verhütung ist.
    Er würde das ändern. Er würde diesen Unglauben aus der Welt schaffen! Ja, anders konnte man das nicht nennen, was die Religionen boten: Unglauben! Irrealen Schwachsinn! Er würde ein neues Zeitalter begründen. Das Zeitalter der Information. Sein Zeitalter!
    Simovic blickte zufrieden auf das Videobild auf seinem Laptop. Es war etwas pixelig, aber es würde ausreichen. Obwohl er erst vor ein paar Stunden auf der MS Atlantis angekommen war, hatte er schon alles vorbereitet. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen.

77
    Vikar Kunen trug das Kreuz, als sei es eine schwere Bürde. Dabei war es nur sechzig Zentimeter lang, gut dreißig Zentimeter breit und natürlich nicht aus purem Gold. So reich war die Kirche nun auch wieder nicht. Zumal es ihr gar nicht gehörte, sondern ihm, ihm ganz

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