Das letzte Theorem
wie Orwell in seinem Buch die Welt eingeteilt hat. Es gab nur noch drei Mächte, weil diese Superstaaten sich alle anderen Länder einverleibt hatten. Ozeanien, was bei Orwell in erster Linie mit den USA gleichzusetzen ist; Eurasien - Russland, also die damalige Sowjetunion; und Ostasien, das für China steht.«
Jetzt hatte sie Gamini ernsthaft verprellt. »Myra, ich bitte dich! Du glaubst doch nicht etwa, dass die Länder, die Pax per Fidem gründeten, die Welt unter sich aufteilen wollen, oder?«
Und wieder konterte Myra mit einer Gegenfrage. »Was diese Staaten im Schilde führen, entzieht sich meiner Beurteilung, Gamini. Ich kann nur hoffen, dass es nicht auf Orwell’sche Verhältnisse hinausläuft. Aber wenn es so wäre, wer könnte sie jetzt noch daran hindern?«
Nachdem Gamini gegangen war - immer noch ein Freund, ein sehr guter Freund sogar, aber einer, den sie künftig nicht mehr so oft sehen würden -, wandte sich Ranjit an seine Frau. »Und was machen wir jetzt? Der Präsident hat mich aus meinem jetzigen Job gefeuert. Den neuen Job, den er - und Gamini - mir anbieten wollten, habe ich abgelehnt.« Bei diesem Gedanken runzelte er die Stirn. »Gaminis Vater wollte auch, dass ich mitmache«, fügte er hinzu. »Über meine Weigerung wird er nicht gerade glücklich sein. Ich frage mich, ob dieser Universitätsposten immer noch frei ist … und wenn ja, ob ich ihn kriege.«
28
Lebensgestaltung
Man konnte Dr. Dhatusena Bandara manches vorwerfen, aber Rachsucht gehörte nicht zu seinen Fehlern. Die Universität sei bereit, Dr. (wenn auch nur ehrenhalber) Ranjit Subramanian mit offenen Armen zu empfangen. Er erhielte eine volle Professorenstelle, die er unverzüglich antreten könne. Sein Gehalt bekäme er sofort, und mit der Lehrtätigkeit könne er beginnen, wann immer es ihm genehm sei. Darüber hinaus würde die Universität sich bemühen, auch für Dr. (dieses Mal nicht ehrenhalber, sondern durch entsprechende Leistung erarbeitet) Myra de Soyza Subramanian eine Stelle als Dozentin zu finden. Zwar bekäme sie keine Professur und auch die Vergütung fiele geringer aus, aber das verstand sich wohl von selbst. Trotzdem war es ein zusätzlicher Anreiz, nach Sri Lanka zurückzugehen.
Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten verärgert war, weil Ranjit den angebotenen Job ausschlug, so äußerte er seinen Unmut mit keinem Wort. Niemand gab einen Kommentar zu dem Entschluss der Subramanians ab, den USA den Rücken zu kehren und sich wieder in ihre alte Heimat zu begeben.
Ranjit holte seine wenigen persönlichen Habseligkeiten aus dem Büro; allerdings half ihm dabei ein Hauswart, der gleichzeitig für die Sicherheit arbeitete. Und natürlich musste er seine sämtlichen Pässe und Ausweise abgeben. Aber keiner suchte die Subramanians in ihrem Apartment auf, um irgendwelche Fragen zu stellen, und niemand begleitete sie zum Flughafen. Im Flugzeug saß Natasha in einem Kindersitz zwischen ihren Eltern und weinte kein einziges Mal.
Wie nicht anders zu erwarten, holte Mevrouw Beatrix Vorhulst sie in Colombo vom Flughafen ab, denn natürlich sollten sie wieder in ihrem Haus wohnen, etwas anderes wäre gar nicht in Frage gekommen. »Aber nur, bis wir ein eigenes Apartment gefunden haben«, schränkte Myra ein, als ihre Tante sie umarmte.
»Ihr könnt bleiben, so lange ihr wollt«, erklärte Mevrouw Vorhulst. »Joris will gar nicht, dass ihr wieder auszieht.«
Ranjit stellte fest, dass die Unterrichtsräume der Universität eine seltsame Eigenschaft besaßen. Als er noch Student war und sich danach sehnte, der Kurs möge zu Ende gehen, damit er nach draußen stürmen konnte, waren sie ihm erdrückend klein erschienen. Nun jedoch, als frisch gebackener Professor, der zum ersten Mal vor seinen Studenten stand, kamen sie ihm unglaublich groß vor. Der Raum glich einem Gerichtssaal, vollgepackt mit jungen Männern und Frauen, die dasaßen wie eine überdimensionierte Geschworenenjury. Er hatte das Gefühl, als wollten sie ihn aburteilen. Mit ihren Blicken verfolgten sie jede seiner Bewegungen, und ungeduldig warteten sie auf die großen Enthüllungen, mit denen Professor Subramanian Licht auf die ungelösten Rätsel der Mathematik werfen würde.
Ranjit bereitete es nicht nur Sorgen, wie er dieses Nest voller hungriger Küken füttern sollte. Er zerbrach sich den Kopf darüber, welches Futter er ihnen vorsetzen konnte. Als man ihn in der Universität willkommen hieß, hatte man ihm erklärt, er könne über
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