Das letzte Theorem
Einige baten, er möge ihnen noch mehr Tricks zeigen, und derart ermutigt, durchforstete Ranjit abermals die Bibliothek, bis er fündig wurde. Er stieß auf das uralte Exemplar eines Buchs von Martin Gardner, der darin mathematische Spiele und Puzzles beschrieb, und auf diese Weise überstand er das sechswöchige Seminar, ohne groß anzuecken.
Das dachte er jedenfalls.
Bis Dr. Davoodbhoy ihn zu einem Gespräch in sein Büro einlud. »Ich hoffe, Sie sind jetzt nicht eingeschnappt, Ranjit«, eröffnete er die Unterredung, während er Sherry in zwei langstielige Gläser einschenkte. »Aber hin und wieder, vor allen Dingen wenn ein neuer Dozent bei uns anfängt, bitten wir die Studenten um eine Beurteilung. Ich habe mir gerade die Kommentare über Ihr Seminar angesehen.«
»Huh«, sagte Ranjit. »Es ist doch hoffentlich alles in Ordnung?«
Dr. Davodbhoy seufzte. »Nein, leider nicht, Ranjit«, erwiderte er.
Die Beurteilung, die die Studenten über ihn abgegeben hatten, waren in der Tat niederschmetternd, erzählte Ranjit beim Abendessen Myra und Mevrouw. »Einige meinten, ich sollte lieber in einem Nachtclub Zaubertricks vorführen als an einer Universität Mathematik unterrichten. Und fast alle haben sich darüber beschwert, dass ich ausschließlich nach Büchern vorging.«
»Aber ich dachte, die Tricks hätten ihnen gefallen«, hielt Mevrouw stirnrunzelnd entgegen.
»So war es auch - in gewisser Weise. Aber sie meinten, für solchen Firlefanz hätten sie das Seminar nicht belegt.« Missmutig schälte er eine Orange. »Mit meiner Arbeit bin ich ja selbst nicht zufrieden. Ich weiß nur nicht, was ich anders machen muss.«
Myra tätschelte seine Hand und nahm einen Orangenkeil entgegen. »Du musst das mal so sehen«, versuchte sie ihren Mann zu trösten. »Das Seminar wurde veranstaltet, damit du merkst, was bei den Studenten ankommt und was nicht. Offenbar hat die Methode, die du dieses Mal angewandt hast, nicht den gewünschten Effekt erzielt. Jedenfalls bist du jetzt einen Schritt weiter. Du weißt, was du verkehrt gemacht hast und kannst etwas Neues ausprobieren.« Sie wischte sich den Orangensaft von den Lippen, beugte sich vor und drückte einen Kuss auf seine Stirn. »Jetzt lass uns gehen und Tashy baden, und danach schwimmen wir beide noch ein paar Runden im Pool. Das hebt immer die Stimmung.«
Und so wurde es gemacht. Sie badeten die Kleine, spielten noch ein bisschen mit ihr und brachten sie zu Bett. Allein diese Beschäftigung heiterte Ranjit und Myra auf. Und nach dem Schwimmen war ihre gute Laune endgültig wiederhergestellt.
Im Haus der Vorhulsts musste man sich einfach wohlfühlen. Das Personal war sichtlich stolz auf die berühmten Gäste, und Natasha wurde natürlich von allen geliebt. Trotzdem brachte Myra an den meisten Tagen ein, zwei Stunden damit zu, nach einer eigenen Wohnung zu suchen, aber sie fand einfach nichts Passendes. Manche Apartments schienen auf den ersten Blick recht vielversprechend zu sein, aber Mevrouw Vorhulst war so hilfreich, auf die verdeckten Mängel aufmerksam zu machen; entweder war die Wohngegend nicht gut genug, oder der Weg zur Universität war zu weit, mal waren die Zimmer zu winzig, mal zu dunkel oder gleich beides. An jedem Apartment ließ sich etwas aussetzen, wenn man nur kritisch genug nach Fehlern forschte, und Beatrix Vorhulst schien es als ihre vornehmste Aufgabe zu betrachten, die Subramanians vor einem übereilten Umzug zu bewahren; sie machte ihnen jede Wohnung madig, die sie besichtigten.
»Sie will ja nur, dass wir hierbleiben«, erklärte Myra ihrem Mann eines Abends, als sie schon im Bett lagen und sich noch unterhielten. »Ich kann das sogar verstehen, denn jetzt, wo
Joris nicht daheim ist, würde sie sich ohne uns einsam fühlen.«
Schläfrig antwortete Ranjit mit seinem üblichen »Huh«. Er gähnte, dass seine Kiefer knackten, und fügte hinzu: »Weißt du, ich könnte mir etwas Schlimmeres vorstellen, als hier zu wohnen.«
Dem konnte man nicht widersprechen. In diesem Haus las man ihnen die Wünsche von den Augen ab, sie brauchten nichts zu tun und wurden von freundlichen Menschen bedient, die ihre Arbeit gern verrichteten. Obendrein sparten sie noch eine Menge Geld. Ranjit wollte zumindest die Kosten erstatten, die ihr Aufenthalt verursachte, aber das lehnte Beatrix Vorhulst entschieden ab. Sie weigerte sich einfach, Geld von ihm und Myra anzunehmen. Und dabei blieb es dann auch.
»Also gut«, sagte Ranjit eines Abends zu seiner Frau,
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