Das letzte Theorem
Nicht einmal die Horde der Anderthalben, die gefangen in ihren Truppentransportern durch die Oort’sche Wolke drifteten.
Diese Wesen kämpften mit Problemen, die viel ernster waren als die Schwierigkeiten, mit denen sich die Menschen auseinandersetzen mussten. Den Anderthalben konnte es nur recht sein, wenn man ihnen befahl, die Ausrottung der menschlichen Rasse zu verschieben. Aber als die Großen Galaktiker den Befehl zum Töten zurücknahmen, hatten sie nicht die Konsequenzen berücksichtigt, die sich dadurch für die Anderthalben ergaben.
Das Problem reduzierte sich auf ein einfaches Rechenexempel. Mittlerweile gab es zu viele Anderthalbe in ihren Schiffen. Ursprünglich waren ungefähr 140 000 von ihnen an Bord der Transporter gegangen. Eine geraume Zeit lang war diese Zahl konstant geblieben. Doch dann, nicht bereit, zu sterben, ohne Nachkommen zu hinterlassen, die ihre genetische Linie fortsetzen würden, hatten sich die Anderthalben den Luxus eines kurzen, dafür umso heftigeren Ausbruchs von Sexualität gegönnt.
Die Früchte dieser Orgie waren bereits geboren worden. Genauer gesagt, sie erreichten schon bald das Erwachsenenalter …
Aber die Armada war nicht dafür ausgerüstet, eine so große Anzahl von Anderthalben über einen längeren Zeitraum hinweg am Leben zu erhalten. Im Klartext hieß das, ihnen gingen die Vorräte aus - und zwar alle.
Die mechanischen Lebenserhaltungsprozessoren, die darauf ausgelegt waren, Luft, Wasser und Nahrungsmittel für 140 000 Anderthalbe zu erzeugen, mussten auf doppelte Leistung hochgefahren werden, um die fast 140 000 Nachkommen mit zu versorgen. Und nun begannen die Prozessoren, unter der enormen Belastung zu versagen. Bald würde es eine Verknappung aller lebenswichtigen Dinge geben. Und nicht lange danach würden die rund 280 000 Anderthalben in ihren Schiffen elend krepieren.
Und wie wollten die Großen Galaktiker das verhindern?
39
Die Befragungen
In dieser Nacht fanden die Subramanians kaum Gelegenheit zum Schlafen - aber dem Rest der Menschheit ging es genauso. Denn egal, in welcher Zeitzone der Welt man sich aufhielt, man hockte wie gebannt vor dem Fernseher, ohne auf die Uhrzeit zu achten. Zuerst sah man Gamini Bandara, der, nur mit einem Handtuch um die Hüften, auf dem Rand einer Badewanne saß und von derselben Kopie von Natasha Subramanian befragt wurde, die schon Ranjit verhört hatte. Für das, was sich hier abspielte, hatte keiner eine Erklärung.
Die Fragen, die Gamini gestellt wurden, drehten sich meistens um die Gründung von Pax per Fidem, die Entwicklung der Waffe Stiller Donner und die Kommandostruktur der Gruppen, die ihre Missionen plante und ausführte. Gamini antwortete, so gut er es vermochte. Als es um die technischen Details von Stiller Donner ging, schüttelte er den Kopf und nannte den Namen eines Ingenieurs, der dem Team angehörte, das diese Waffe konstruiert hatte.
Als er schildern sollte, wie die Entscheidungsfindung für den konkreten Einsatz von Stiller Donner vonstattenging, musste er passen und schlug vor, sich an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu wenden.
Nach dem Grund gefragt, warum die menschliche Rasse unentwegt Kriege anzettelte, und offenbar niemand mit seinem Nachbarn in Frieden leben konnte, reagierte Gamini mit einem hilflosen Achselzucken und einer Entschuldigung. Das sei schon immer so gewesen, meinte er, Kriege durchzogen die
gesamte Geschichte der Menschheit. Leider hatte er während seines Studiums nur einen einzigen Kurs in alter Geschichte belegt, und dann war er auch noch durch die Abschlussprüfung gefallen. Aber die Professorin, die den Kurs gehalten hatte, wirkte noch immer an der London School of Economics.
Allerdings verbrachte sie gerade ihr Sabbatjahr in dem winzigen Land Belize. Die Gestalt, die die Befragungen durchführte, spürte sie in einer Ansammlung von Ruinen auf, einer Stätte, die unter dem Namen Altun Ha bekannt war. Dort, im gleißenden Sonnenlicht und in drückender Schwüle, ließ sich die Pseudo-Natasha eine Zusammenfassung der Militärgeschichte der Menschheit geben. Ungefähr hundert an dieser Stelle versammelte Leute, Anthropologen, Touristen, Guides und (später) anrückende einheimische Polizisten wurden Zeuge dieses Ereignisses. Sie konnten alles sehen und hörten jedes Wort, das gesprochen wurde, doch es war ihnen nicht möglich, sich den beiden Gesprächsteilnehmern zu nähern.
Die Professorin erzählte alles, was Natashas Kopie von ihr wissen wollte. Sie
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