Das letzte Theorem
gleichzeitig. Vorhulst wandte sich an den jungen Mann neben Ranjit. »Ja, Jude?«
Eifrig stand der Junge auf. »Auf dem Mond gab es auch Vulkane.«
Der Professor nickte. »Allerdings. Wenn auch vor langer Zeit, denn der Mond ist so klein, dass er längst ausgekühlt ist. Aber man kann immer noch sehen, wo einmal gewaltige Vulkanausbrüche stattgefunden haben, wo Ströme aus basaltischer Lava Hunderte von Quadratkilometern bedecken, und überall auf dem Mond findet man kegelförmige Erhebungen - auf den Ebenen und sogar inmitten von Kratern -, die höchstwahrscheinlich vulkanischen Ursprungs sind. Wo es Vulkanismus gab, muss auch Lava geflossen sein, und was entsteht, wenn Lava fließt?«
»Lavaröhren!«, riefen ein Dutzend Studenten im Chor - einer davon war Ranjit.
»Exakt, Lavaröhren!«, bestätigte Vorhulst. »Auf der Erde entwickeln Röhren wie Nahuku selten einen Durchmesser, der
größer ist als ein paar Meter, aber auf dem Mond herrschen andere Bedingungen. Bei der minimalen Schwerkraft könnten sie zehnmal so groß werden - Ausmaße annehmen wie zum Beispiel der Tunnel zwischen England und Frankreich. Und da sind sie nun und warten bloß darauf, dass irgendein Mensch kommt, sich zu einer von ihnen durchgräbt, die Ritzen abdichtet - sehr sorgfältig sogar -, sie mit Luft füllt … um dann Quartiere an Immigranten von der Erde zu vermieten.« Er hob den Blick zu der Lampe über dem Bildschirm, die anzeigte, wie viel Zeit noch für den Unterricht blieb und von grün zu gelb gewechselt war, um nun rot aufzublitzen. »Schluss für heute«, erklärte er.
Doch davon wollten die Studenten nichts wissen, und mindestens ein Dutzend Hände blieben noch erhoben. Dr. Vorhulst warf einen bedauernden Blick auf das rote Licht, ließ sich jedoch erweichen. »Also gut. Nur noch eine einzige Frage. Wer will sie stellen?«
Mehrere Studenten ließen ihre Hände sinken und wandten sich neugierig einem jungen Mann zu, den Ranjit schon in Gesellschaft seines Sitznachbarn, Jude, gesehen hatte. Der Bursche ergriff prompt das Wort, als hätte er nur auf diese Chance gelauert. »Dr. Vorhulst«, begann er, »ein paar von uns wüssten gern Ihre Meinung zu einem bestimmten Thema. Vieles, was Sie sagen, klingt so, als glaubten Sie, intelligentes Leben könne überall in der Galaxis verbreitet sein. Sind Sie wirklich dieser Ansicht?«
Vorhulst sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Kommt, Leute! Woher soll ich wissen, ob nicht ein paar von euch einen Schwager haben, der als Zeitungsreporter arbeitet? Und wenn ich Ihnen jetzt die Antwort gebe, auf die Sie gewartet haben, wie würde dann die Schlagzeile der Story lauten: ›Sterngucker der Universität von Colombo behauptet, unzählige außerirdische Rassen machen der Menschheit Konkurrenz‹?«
Der junge Mann ließ nicht locker. »Halten Sie es für möglich, dass es außer auf der Erde noch irgendwo anders intelligente Lebewesen gibt?«
Vorhulst seufzte. »Na schön«, gab er nach. »Die Frage ist berechtigt, und Sie erhalten von mir eine ehrliche Antwort. Von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen spricht nichts dagegen, dass sich in unserer Galaxis noch eine Reihe - vielleicht sogar sehr viele - Planeten befinden, auf denen sich Leben entwickelt hat. Und wieso sollten dort nicht technisch fortgeschrittene Zivilisationen entstanden sein? Das ist die Wahrheit, und aus meiner Überzeugung habe ich nie ein Geheimnis gemacht. Natürlich«, fügte er hinzu, »rede ich jetzt nicht von Ihren verrückten Superhelden aus den Comics, die die Menschen entweder versklaven oder gar völlig auslöschen wollen. Wie - wie heißen sie doch gleich? Supermans Feinde, die sein Vater gefangen nahm, ehe ihr Planet explodierte, und sie in ein im Weltraum schwebendes Gefängnis steckte, das aussah wie ein würfelförmiger Briefbeschwerer, bis irgendwas passierte und alle wieder freikamen?«
Und schon brüllte jemand aus den hinteren Reihen: »Meinen Sie General Zod?« Ein anderer legte nach: »Und das Mädchen, Urna.« Danach riefen rund ein Dutzend Stimmen: »Und Non!«
Der Professor bedachte sie alle mit einem Grinsen. »Es freut mich, dass so viele von Ihnen in den Klassikern bewandert sind. Wie auch immer, in diesem einen Punkt sollten Sie mir vertrauen. Solche Wesen existieren nicht. In der Zukunft wird es nie dazu kommen, dass irgendwelche scheußlichen Aliens beschließen, uns auszurotten, und jetzt sollten wir alle lieber den Saal räumen, ehe man uns die Campuspolizei auf den Hals
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