Das letzte Theorem
in Zukunft verzichten Sie bitte darauf, sich in den Besitz anderer Leute Passwörter zu bringen.« Er blätterte in den Papieren, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen, nickte und schloss die Akte. »Sie können jetzt zu Ihrem Unterricht zurückgehen.«
»Danke, Sir.« Er griff nach seinem Rucksack, dann zögerte er und fragte: »Werde ich nun von der Universität verwiesen?«
Der Mathematiker blickte überrascht drein. »Verwiesen? Nein, nichts dergleichen. Wissen Sie, es war das erste Mal, dass Sie sich etwas haben zuschulden kommen lassen. Für uns ist das kein Grund, jemanden von der Universität zu verweisen, es sei denn, bei dem Vergehen handelt es sich um etwas Schlimmeres als den Diebstahl eines Passworts, und obendrein erhielt der Dekan ein paar Briefe, deren Schreiber sich mit den glühendsten Worten für Sie einsetzten.« Wieder öffnete er Ranjits Akte und blätterte in den Papieren. »Ja. Da sind sie. Ein Brief stammt von Ihrem Vater. Er ist hundertprozentig davon überzeugt, dass Sie von Grund auf ehrlich sind. Sicher, was ein Vater über seinen einzigen Sohn sagt, ist nicht unbedingt ein objektives Leumundszeugnis, aber dann liegt uns noch dieses andere Schreiben vor. Der Verfasser äußert sich beinahe genauso lobend über Ihren Charakter wie Ihr Vater, ohne Ihnen jedoch besonders nahezustehen. Überdies hat sein Wort
an dieser Universität Gewicht. Ich spreche von dem Anwalt der Universität, Dhatusena Bandara.«
Nun hatte Ranjit noch etwas, worüber er sich den Kopf zerbrechen konnte. Wer hätte gedacht, dass Gaminis Vater seinen Einfluss geltend machen würde, um dem Freund seines Sohnes aus einer Klemme zu helfen?
7
Es tut sich was
Die Zeit schlich dahin, als sich das Studienjahr dem Ende näherte. Während der Astronomieunterricht weiterhin spannend blieb und Ranjit jedes Mal viel zu kurz vorkam, schienen sich die übrigen Kurse bis in alle Ewigkeit auszudehnen.
Eine Weile glaubte Ranjit, einen Lichtblick entdeckt zu haben. Er erinnerte sich an die Vorlesung, in der das Hydrosolar-Projekt zur Sprache kam, der Plan, das Tote Meer zur Elektrizitätsgewinnung zu nutzen, und besuchte abermals diese Vortragsreihe. Dieses Mal berichtete der Dozent über die zunehmende Versalzung vieler Brunnen in Meeresnähe, ein Phänomen, das überall auf der Welt beobachtet wurde. Ranjit erfuhr auch, dass einige der größten Flüsse der Erde nicht länger in irgendeinem Ozean mündeten, sondern auf ihrem Weg dorthin versiegten, weil man ihnen zu viel Wasser entnahm; diese kostbare Ressource wurde benutzt, um Felder zu kultivieren, die Toiletten in den Großstädten zu spülen und die Rasen von Vorgärten zu berieseln. Ranjit fand das alles so entmutigend, dass er dieser Vorlesung von da an fern blieb.
Er spielte sogar flüchtig mit dem Gedanken, sein Studium ernst zu nehmen, oder zumindest so zu tun, als hielte er es für wichtig. Man konnte das Studieren auch als eine Art sportlichen Wettkampf auffassen, der überdies noch ziemlich leicht zu gewinnen war. Diese Einstellung glich jedoch keineswegs diesem unersättlichen Wissensdurst, mit dem er sich anfangs auf Fermats Letzten Satz gestürzt hatte. Jetzt brauchte er nur zu raten, welche Fragen sich seine Dozenten für den nächsten
Test ausdenken würden und dann die richtigen Antworten nachzuschlagen. Das klappte zwar nicht immer, reichte aber für halbwegs passable Noten aus.
Nichts von alledem traf aber auf den Astronomiekurs 101 zu.
Dr. Vorhulst gelang es, jede Unterrichtsstunde zu einem Vergnügen zu machen. Zum Beispiel, als sie über das Terraformen sprachen - Methoden, die Oberfläche eines fremden Planeten so umzugestalten, dass Menschen darauf leben konnten. Aber ehe man diese monumentale Aufgabe in Angriff nahm, musste man zuerst an diesen Ort gelangen. Die Frage war nur, wie das gehen sollte.
»Mit Raketenschiffen«, hätte Ranjits Antwort gelautet. Er stand schon im Begriff, die Hand zu heben, doch der Professor kam ihm zuvor. »Sie wollen ›Raketenschiffe‹ sagen, nicht wahr?«, wandte sich Dr. Vorhulst an den gesamten Kurs, besonders natürlich an die rund ein Dutzend Teilnehmer, die wie Ranjit die Hand in die Höhe streckten. »Na schön. Lassen Sie uns ein bisschen darüber nachdenken. Angenommen, wir wollen mit dem Terraformen des Mars beginnen, aber für diese Arbeit steht uns nur das absolute Minimum an schweren Maschinen zur Verfügung, um Erdreich zu bewegen. Zum Beispiel ein großer Radlader. Ein Bulldozer. Zwei mittelgroße
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