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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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bekanntes Material konnte dieses Gewicht tragen.
    Artsutanovs Inspiration bestand darin, sich zu vergegenwärtigen, dass Kompression nur ein möglicher Weg ist, um eine Struktur zu errichten. Die zweite Alternative heißt Spannung.
    Eine auf Spannung beruhende Struktur - die beispielsweise so aussehen konnte, dass man einen im Orbit kreisenden Körper durch Kabel mit einem Gegengewicht auf der Erdoberfläche verband - war in der Theorie eine elegante, aber praktisch nicht zu bewerkstelligende Methode, jedenfalls aus der Sichtweise eines Ingenieurs, dem zur Anfertigung der Kabel nur die Werkstoffe zur Verfügung standen, die es Mitte des 20. Jahrhunderts gab. Aber Artsutanov schloss nicht aus, dass in ein paar Jahrzehnten Materialien entwickelt würden, die diese enorme Belastung aushielten.
    Als Ranjit an diesem Abend zu Bett ging, lächelte er - er lächelte sogar noch im Schlaf, denn zum ersten Mal seit langem hatte er etwas gefunden, das ihm Grund zum Lächeln gab.
     
    Er lächelte noch am nächsten Tag beim Frühstück und zählte die Stunden (fast noch hundertvierzig) bis zum nächsten Astronomieunterricht. Ranjit hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass dieser Kurs der absolute Lichtblick des laufenden Studienjahres war …
    Und wieso wechselte er dann nicht sein Hauptfach von Mathematik zu Astronomie?
    Er hörte auf zu kauen, während er darüber nachdachte, gelangte jedoch zu keiner Entscheidung. Irgendetwas hinderte ihn daran, Mathematik offiziell aufzugeben. Es war irrational, aber das wäre ihm wie ein Verrat an Fermats Letztem Satz vorgekommen.

    Andererseits war es reichlich seltsam - wie seine Studienberaterin ihm im Verlauf der einzigen Sitzung, zu der er erschien, erklärt hatte -, dass sein Hauptfach Mathematik war, wenn er keinen einzigen Kurs in diesem Fach belegte.
    Ranjit wusste, wie er das ändern konnte, und dazu hatte er einen ganzen unterrichtsfreien Vormittag lang Zeit. Kaum hatte die Studienberaterin ihr Büro betreten, da war Ranjit auch schon bei ihr, um seinen Status zu klären; und um zwölf Uhr mittags hatte er sich nachträglich für den Kurs »Grundlagen der Statistik« eingetragen. Wieso gerade Statistik?, wunderte sich die Dame. Nun ja, schließlich ginge es dabei um eine praktische Anwendung von Mathematik, gab er zur Antwort. Aber der Kurs hätte bereits begonnen, würde er da überhaupt noch mitkommen? Das sei kein Problem, beteuerte er; es gäbe keinen Mathematikkurs für Anfänger, in den er sich nicht im Handumdrehen einarbeiten könne. Und als es Zeit zum Mittagessen wurde, hatte Ranjit zumindest eines seiner Probleme gelöst, obwohl dieses spezielle Problem ihm kaum der Mühe wert schien, sich damit zu befassen. Alles in allem machte sich Ranjit in ziemlich aufgeräumter Stimmung über sein Essen her.
    Dann verschlechterte sich die allgemeine Situation.
    Irgendein Idiot hatte die Radionachrichten eingeschaltet, und das auf volle Lautstärke, obwohl die Studenten sich bei ihren Mahlzeiten normalerweise nur von gedämpfter Musik berieseln ließen. Und keiner bequemte sich, den Sender zu ändern oder den Kasten wenigstens leiser zu stellen.
    Natürlich waren die wichtigsten Meldungen an diesem Tag exakt von der Sorte, die Ranjit nicht hören wollte, denn auf der ganzen Welt gab es nun mal keine guten Nachrichten.
    Da er sich dem ohnehin nicht entziehen konnte, hörte Ranjit pflichtschuldigst zu. Überall stank es zum Himmel - sämtliche Kleinkriege waren nach wie vor in vollem Gange, und neue drohten auszubrechen, wie immer. Nach den internationalen Meldungen kamen die Lokalnachrichten. Sie interessierten
Ranjit nicht besonders, bis ein Wort seine Aufmerksamkeit fesselte. Das Wort lautete »Trincomalee«.
    Sofort spitzte er die Ohren. Anscheinend hatte die Polizei einen Wagen aus Trincomalee angehalten, weil der Fahrer des klapprigen Vans einem Polizeiauto, das mit eingeschalteter Sirene unterwegs war, nicht Platz gemacht hatte. (Dabei hatten es die Polizisten nur so eilig gehabt, weil sie ein Speiselokal ansteuerten, um dort zu Mittag zu essen.) Nachdem die Ordnungshüter den Van an den Straßenrand gelotst hatten, warfen sie natürlich gleich einen Blick hinein. Und dabei entdeckten sie die Fracht aus nagelneuen Toastern, Mixern und anderen kleinen Haushaltsgeräten, für deren Besitz der Fahrer keine glaubhafte Erklärung abgeben konnte. Der Mann wurde in Gewahrsam genommen.
    Ranjit stand gerade im Begriff, seinen Löffel voll Reis zum Mund zu führen, als der

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