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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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sie müssten sogleich verzehrt werden, andernfalls würden sie verderben.
    »Bring das hier zu Mrs. Kanakaratnam«, hatte Ganesh seinen Sohn angewiesen. »Du weißt schon, Kirthis Kanakaratnams Frau. Erinnerst du dich noch an Kirthis? Er wurde in Colombo wegen Besitzes von sogenanntem ›Diebesgut‹ verhaftet.« Ranjit nickte; er hatte den Vorfall nicht vergessen. »Seine Familie leidet sehr darunter«, fuhr Ganesh fort. »Ich lasse sie in meinem alten Gästehaus wohnen. Du weißt doch sicher noch, wo das liegt, oder? Nun, sei so freundlich und gib die Sachen dort ab.«
    Selbstverständlich tat Ranjit seinem Vater diesen Gefallen. Und er hatte keine Mühe, das alte Gästehaus zu finden. Einer seiner frühesten Spielkameraden, der Sohn eines Bahningenieurs, der gelegentlich für den Tempel arbeitete, hatte dort gewohnt, als Ranjit noch klein war, und an das Haus konnte er sich noch gut erinnern.
    Es hatte sich kaum verändert. In dem kleinen Garten, den die Frau des Bahningenieurs im vorderen Hof angelegt hatte, gedieh jetzt an einer Seite Gemüse, die andere war von Unkraut überwuchert. Ranjit fand, das Haus könnte einen neuen Farbanstrich dringend gebrauchen. Es war jedoch kleiner, als er es in Erinnerung hatte, drei winzige Zimmer mit einem Abtritt an der Rückfront, und im hintersten Winkel des Grundstücks befand sich ein Brunnen, aus dem das Wasser hochgepumpt werden musste.
    Als Ranjit ankam, war niemand daheim. Er überlegte, ob es sich schickte, ein Haus zu betreten, wenn der Bewohner sich
gerade nicht darin aufhielt, aber schließlich konnte er den Sack mit Lebensmitteln nicht einfach draußen auf den Boden legen. Deshalb klopfte er an die unverschlossene Tür, rief einen Gruß und ging ins Haus.
    In dem ersten Raum befand sich die Küche - ein Propangasherd, eine Spüle ohne Wasserhahn, nur mit einem Abfluss und einem großen Plastikbehälter für Wasser, der jedoch fast leer war. Ein Tisch mitsamt Stühlen und ein paar kärgliche Habseligkeiten vervollständigten die Einrichtung. Durch die Küche gelangte man in eine kleinere Kammer, die offensichtlich zum Schlafen benutzt wurde, denn darin stand eine Couch mit Kissen und zusammengefalteten Laken. Das dritte Zimmer war das größte, aber auch das am meisten vollgestopfte; er sah zwei Kinderbetten, zwei Schlafpritschen, drei oder vier Kommoden, ein paar Stühle …
    Und noch etwas.
    Etwas hatte sich verändert seit der Zeit, als Ranjit als Junge in diesem Haus gewesen war. Dann bemerkte er in einer Ecke des Kinderzimmers irgendwelche Spuren an der Wand, und bei genauerem Hinsehen erkannte er ein bis auf wenige Reste entferntes religiöses Plakat, geschrieben in Sanskrit.
    Natürlich! Das war die Nordostecke des Hauses, und hier hatte sich die Puja-Stätte befunden, der sankrosankte Ort für Andachten und Gebete, der in jedem frommen Hinduhaushalt zu finden war. Doch was war aus ihm geworden? Wo war das Abbild von Shiva - oder einer der anderen Gottheiten - auf dem kleinen Sockel? Wo waren der Weihrauchbehälter oder die Schale mit den Blumen, die als Opfergaben dienten, oder all die anderen rituellen Gegenstände, die man für die tägliche religiöse Zeremonie brauchte, um die Götter zu verehren? Da war gar nichts! Seit vielen Jahren hatte Ranjit sich nicht mehr mit Religion beschäftigt, und er hätte sich keinesfalls als gläubig bezeichnet, doch als er nun den Berg gewaschener aber nicht zusammengefalteter Kinderkleidung an dem Platz sah, der früher einmal die penibel in Ordnung gehaltene
heilige Puja-Stätte dieses Hauses gewesen war, fühlte er sich beinahe - nun ja, angewidert. Keine Hindu-Familie, ob sie nun ihre Religion praktizierte oder nicht, durfte den heiligen Winkel ihres Heims derart verkommen lassen.
    Als er von draußen Stimmen hörte, die sich näherten, verließ er das Haus, um sich vorzustellen; nun war er sich nicht mehr so sicher, ob hier überhaupt Hindus wohnten. Das Oberhaupt der Familie, Kirthis Kanakaratnams Ehegemahlin, kleidete sich nicht so, wie es eine richtige Hindufrau getan hätte. Sie trug einen Männeroverall, Männerstiefel, und sie zog einen Bollerwagen, in dem neben ein paar kleineren Sachen auch noch zwei große Plastikkanister mit Wasser und ein kleines Mädchen transportiert wurden. Daneben trotteten noch drei Kinder, ein etwa zehn bis zwölfjähriges Mädchen, das auf dem Rücken ihre kleine Schwester schleppte - anscheinend das jüngste Kind der Familie -, und ein Junge, der sich tapfer mit einem schweren

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