Das letzte Theorem
setzte er sich zu der Handvoll Gäste, die in dem kleinen Zelt an der Gartenmauer vor einem Fernseher hockten, sich die Nachrichten
anschauten und ihre Meinungen darüber kundtaten. Die Nachrichten waren natürlich alles andere als gut. Offenbar hatten in Korea ein paar dieser streitsüchtigen Nordkoreaner ein Rudel bösartiger und möglicherweise tollwütiger Hunde nahe der Grenze zu Südkorea ausgesetzt. Wie durch ein Wunder war kein Mensch von einem dieser Tiere gebissen worden. Drei Hunde wurden zerfetzt, als einer auf eine Landmine trat, südkoreanische Grenzschützer mähten die restlichen schnell mit Maschinengewehrsalven nieder, und alle waren sich wieder einmal einig, dass bezüglich Nordkorea endlich etwas unternommen werden müsste.
Ranjit fiel es überraschend leicht, sich mit den Gästen im Fernsehzelt, die ihm samt und sonders fremd waren, zu unterhalten. Man redete über den beklagenswerten Zustand der Welt, über die Notwendigkeit, Artsutanov-Skyhooks zu bauen, damit auch ganz gewöhnliche Leute darauf hoffen konnten, einmal in den Weltraum zu reisen, man lobte die Vorhulsts, die sich allgemeiner Beliebtheit erfreuten und schnitt ein Dutzend weitere Themen an. Die Gespräche endeten erst, als der Kreis der Gäste sich nach und nach auszudünnen begann. Ranjit fasste dies als Zeichen auf, dass es für ihn gleichfalls Zeit war, zu gehen.
Die Party hatte ihm gefallen, vor allen Dingen der erste Teil, und er zweifelte keine Sekunde lang daran, dass der Grund dafür seine Begegnung mit Myra de Soyza war.
Auf dem Rückweg zum Campus ertappte er sich dabei, wie seine Gedanken unentwegt um dieses Mädchen kreisten; selbstverständlich sah er in ihr nicht die Frau, sondern betrachtete sie nur als eine interessante Gesprächspartnerin. Und er grübelte darüber nach, welche Möglichkeiten es für ihn gäbe, Brian Harrigan zu ermorden.
Trotzdem war Ranjit froh, als er nach Trincomalee zurückfuhr, um dort den Sommer zu verbringen. Ganesh Subramanian hatte angenommen, sein Sohn würde die Ferien dazu nutzen, um
dieses Rätsel von Fermat, das sich hartnäckig jeder Lösung entzog, erneut in Angriff zu nehmen. Er behielt nur zum Teil Recht. Ranjit hatte Fermats Letzten Satz keineswegs vergessen. Dauernd tauchte das Problem in seinem Kopf wieder auf, für gewöhnlich im unpassendsten Moment; vor allen Dingen, seit Myra de Soyza ihn wieder daran erinnert hatte. Doch jedes Mal, wenn das passierte, bemühte er sich nach Kräften, diese Gedanken zu verdrängen. Ranjit Subramanian wusste, wann er genarrt wurde.
Obendrein gab es genug andere Dinge, mit denen er sich beschäftigen konnte. Einer der Mönche hatte ihm erzählt, drunten am Strand würde eines von Trincomalees älteren Touristenhotels renoviert, und Studenten könnten dort einfache und ziemlich gut bezahlte Ferienjobs ergattern. Ranjit machte sich sofort auf den Weg, um die Aussage zu prüfen. Diese Jobs gab es tatsächlich. Er bekam einen, und mit seinen achtzehn Jahren war Ranjit Subramanian zum ersten Mal in der Lage, mit seinem verdienten Geld für sich selbst zu sorgen.
Wie angekündigt, war die Arbeit wirklich nicht schwer. Offiziell wurde Ranjit als »Materialinspekteur« eingestellt. Seine Aufgabe bestand erstens darin, jedes Mal, wenn ein Lastwagen mit Baumaterialien ankam, eine Bestandsaufnahme der Fracht zu erstellen; zweitens musste er dem Bauleiter sofort melden, wenn einer dieser Trucks versuchte, die Baustelle mit einem Teil der Ladung zu verlassen; drittens musste er jeden Morgen gleich nach Arbeitsantritt schnell das aufgestapelte Material prüfen, das tags zuvor eingetroffen war, um sicherzugehen, dass nicht während der Nacht ein großer Teil verschwunden war. Die Angestellten des privaten Sicherheitsdienstes, die die Hotelleitung angeheuert hatte, waren angewiesen, ihm wann immer es erforderlich wurde zu helfen. Diese Leute hatten ein verständliches Interesse daran, gute Arbeit zu leisten, denn man hatte ihnen gesagt, dass ihnen die durch Materialdiebstahl entstandenen Verluste vom Lohn abgezogen würden.
Zusätzlich standen Ranjit vier kleine, aber sehr aktive persönliche Assistenten zur Seite.
Sie wurden weder vom Hotelmanagement bezahlt, noch hatten sie oder ihre Mutter in Ranjits Plänen für den Sommer irgendeine Rolle gespielt. Durch einen puren Zufall hatte Ranjit sie für sich gewonnen, als der alte Ganesh Subramanian ihm eines Tages einen Sack voller Lebensmittel in die Hand drückte, von denen sein Koch behauptete,
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