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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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Dazwischen marschierten sie alle zusammen planschend durch das seichte Wasser. Ranjit führte die Schar an wie ein Gänserich seine Küken. Zu Mittag verputzten sie Butterbrote, die sie sich vom Buffet für die Bauarbeiter nahmen. (Die Männer schienen nichts dagegen zu haben, sie mochten die Kinder ebenfalls gern.) Während der heißesten Stunden des Tages machten die Kinder zwischen den Palmen über der Hochwasserlinie ein Nickerchen, und als Tiffany eine Ruhepause anordnete, setzten sie sich brav hin und lauschten Ranjit, der ihnen wunderbare Geschichten über den Mars, den Mond und die zahlreichen Trabanten des Jupiters erzählte.

    In anderen Teilen der Welt ging es weniger friedlich zu.
    Auf israelischen Schulhöfen sprengten zehn Jahre alte Palästinensermädchen sich selbst und alle sie umgebenden Kinder in die Luft. In Paris taten vier kräftige Nordafrikaner ihre Meinung über die französische Politik kund, indem sie zwei Wachposten des Eiffelturms töteten und elf Touristen von der obersten Plattform stießen. Genauso schlimme Dinge ereigneten sich in Venedig und in Belgrad, und noch drastischere Tragödien spielten sich in Reykjavik, der Hauptstadt Islands ab. Die wenigen führenden Staatsoberhäupter der Welt, deren Länder nicht in Flammen standen - noch nicht -, waren bei den Versuchen, Wege aus der Katastrophe zu finden, am Ende ihrer Weisheit angelangt.
    Doch das berührte Ranjit kaum …
    Obwohl das nicht ganz stimmte. Wenn er über solche Dinge nachdachte, berührten sie ihn sehr wohl, und er machte sich Sorgen, aber er gab sich die größte Mühe, nicht allzu viel über den Zustand der Welt zu grübeln.
    In dieser Hinsicht glich er ein wenig den oberflächlichen Feiernden in Edgar Allan Poes Geschichte »Die Maske des Roten Todes«. Seine Welt, wie die ihre, war morbide. Doch noch schien die Sonne warm auf ihn herab, die Kinder waren begeistert, als er ihnen zeigte, wie man Sternschildkröten fing und sie zu Wettrennen animierte, und er unterhielt sie mit Geschichten. Die Kinder genossen das Zuhören fast genauso sehr, wie Ranjit das Erzählen.
     
    Witzigerweise versuchten zur gleichen Zeit ein paar Große Galaktiker - es konnten auch alle sein, der Unterschied ließ sich nur selten feststellen - einer gänzlich andersartigen Gattung von Lebewesen etwas beizubringen, das ein wenig an Ranjits Bemühungen erinnerte, die Sternschildkröten um die Wette laufen zu lassen.
    Diese anderen Kreaturen waren natürlich keine Schildkröten, obwohl sie einen harten Rückenpanzer trugen und ihre
IQs so niedrig waren wie die von Schildkröten. Aber die Großen Galaktiker hatten es sich zum Ziel gesetzt, sie im Gebrauch von Werkzeugen zu unterweisen.
    Das war nur eine der vielen, vielen Aufgaben, mit denen die Großen Galaktiker sich befassten. Sie hielten es für ihre Pflicht, sich derlei Dingen zu widmen. Die Menschen hätten es als einen Versuch gedeutet, die Intelligenz und die Lebensbedingungen von Bewohnern der Galaxis zu verbessern.
    Die Großen Galaktiker glaubten, wenn diese gepanzerten Wesen lernten, einen Hebel, einen Haken und einen steinernen Faustkeil zu benutzen, könnten sich bei ihnen die ersten Ansätze eines verstandesmäßigen Denkens entwickeln. Und wäre dieser Pfad erst einmal eingeschlagen, der zündende Funke entfacht, konnte die Entwicklung unter behutsamer Führung durch die Großen Galaktiker womöglich in die erwünschte Richtung weitergehen. Unter Umständen reifte hier sogar eine urtümliche Technologie heran, ohne dass sich unerfreuliche Nebenwirkungen einstellten wie Unterwerfung und Ausbeutung anderer Kreaturen oder gar der Ausbruch von Kriegen.
    Nun, dieses Programm würde eine sehr, sehr lange Zeit in Anspruch nehmen. Aber für die Galaktiker spielte Zeit eine untergeordnete Rolle, und sie waren der festen Überzeugung, es sei einen Versuch wert. Sie fanden, der ganze Aufwand sei gerechtfertigt, wenn er dazu diente, in der langen Zukunft des Universums wenigstens eine einzige Spezies hervorzubringen, die Materie übertragen und Weltraumkolonien zu bauen vermochte, ohne auf dem Weg zu dieser Hochtechnologie gleichzeitig die Kunst des Mordens zu lernen. Die Großen Galaktiker waren ohne jeden Zweifel intelligent und überaus mächtig. Aber manchmal konnten sie auch sehr naiv sein.

9
    Tage des Müßiggangs
    Alles in allem verlief dieser Sommer für Ranjit sehr zufriedenstellend. Sein Job war leicht, und keinen schien es zu stören, wenn er seine vier Gänseküken mit zur Arbeit

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