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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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brachte. Er brauchte nur an den Tagen den Babysitter zu spielen, hatte Dot nachdrücklich betont, wenn sie dringend von zu Hause wegmusste. Doch das kam ziemlich oft vor. Manchmal ging sie fort, weil sie sich nach einer Arbeitsstelle umsehen wollte, obwohl ihrer Suche kein Erfolg beschieden war. Meistens jedoch zog sie los, um wieder einmal ein paar ihrer Besitztümer zu verscherbeln, damit sie ihre Kinder ernähren und kleiden konnte.
    Ranjit fiel auf, dass ihre Ausflüge sich häuften. Er dachte sich, das läge daran, dass Dot ihm nun mehr vertraute. Ihre Abwesenheit machte ihm nichts aus. Die Kinder schienen sowohl von seinen Geschichten als auch von seinen mathematischen Tricks begeistert zu sein, vielleicht aus echtem Interesse, vielleicht taten sie auch nur so, weil sie Ranjit mochten. Dass er sich jahrelang den Kopf über Zahlentheorie zerbrochen hatte, trug nun Früchte. Er und seine Kommilitonen hatten Kniffe gelernt, wie man mit Zahlen spielt, von denen der durchschnittliche Amateur noch nie etwas gehört hatte.
    Da gab es zum Beispiel die sogenannte Russische Bauernmultiplikation. Als Einstieg in das Thema erklärte Ranjit den Kids, nur Tiffany sei lange genug zur Schule gegangen, um multiplizieren zu können. Zu den anderen Kindern sagte er: »Ihr braucht aber nicht traurig zu sein, weil ihr noch nicht gelernt
habt, Zahlen zu multiplizieren. Früher konnten das nicht einmal viele Erwachsene, vor allen Dingen in Ländern wie Russland. Deshalb dachten sie sich einen Trick aus. Sie nannten es die ›Russische Bauernmultiplikation‹, und die geht so. Zuerst schreibt ihr die beiden zu multiplizierenden Zahlen nebeneinander. Nehmt einmal an, ihr wollt einundzwanzig mit siebenunddreißig malnehmen.«
    Aus seiner Tasche zog er das kleine Notizbuch, das er vorsorglich mitgenommen hatte, kritzelte rasch die Zahlen hin und zeigte den Kindern das Blatt:
    21
37
     
    »Und jetzt - wisst ihr, wie man eine Zahl verdoppelt? Schön. Dann verdoppelt die linke Zahl, also die Einundzwanzig, halbiert die Zahl auf der rechten Seite und schreibt sie unter die oberen Zahlen. Dann bekommt ihr …«

    21
37
42
18
    »Wenn ihr die rechte Zahl halbiert, bleibt eine Eins übrig, aber das macht nichts. Werft sie einfach weg. Nun verdoppelt und halbiert ihr die neuen Zahlen, und das geht immer so weiter, bis die Zahl auf der rechten Seite eine Eins ist.«

    21
37
42
18
84
9
168
4
336
2
672
1
    »Jetzt passiert Folgendes: Jedes Mal, wenn die rechts stehende Zahl gerade ist, streicht ihr die ganze Reihe durch.«

    21
37
84
9
672
1
    »Dann addiert ihr die links untereinander stehenden Zahlen.«

    21
37
84
9
672
1
777
    Triumphierend schrieb Ranjit darunter »21 x 37 = 777« und sagte: »Das ist das Ergebnis!«
    Gespannt wartete er auf eine Reaktion der Kids. Aber jedes Kind reagierte anders. Die kleine Betsy klatschte in die Hände, als wolle sie Ranjit zu seinem Erfolg applaudieren. Rosie blickte erfreut, aber gleichzeitig verwirrt drein. Harold runzelte die Stirn, und Tiffany fragte höflich, ob sie sich kurz Ranjits Notizbuch und seinen Kugelschreiber borgen dürfe. Während sie schrieb, blickte er ihr über die Schulter.
    37 x 2 = 74
21: 2 = 10,5
10,5 x 74 = 777
    »Ja«, verkündete sie. »Das Ergebnis stimmt. Gib mir bitte zwei neue Zahlen, Ranjit.«
    Er stellte ihr eine einfache Aufgabe, acht mal neun, und dann eine noch leichtere, als Harold auch zum Zug kommen wollte. Der Junge konnte sie lösen, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er noch eine geraume Weile nach Art der russischen Bauern multipliziert, aber die beiden jüngsten Mädchen setzten rebellische Mienen auf. Eigentlich hatte Ranjit vorgehabt, ihnen zu erklären, wieso die Russische Bauernmultiplikation ein Beispiel für binäre Arithmetik war, doch dann
verschob er den Plan auf später. Beglückt, wie positiv die Kinder ihre erste Lektion in Zahlentheorie aufgenommen hatten, erklärte er: »Das hat Spaß gemacht. Und jetzt lasst uns noch ein paar Schildkröten fangen.«
     
    Gamini Bandara traf wie versprochen in Sri Lanka ein, doch als er Ranjit anrief, klang er zerknirscht. Sein Terminplan war noch enger, als er gedacht hatte. Er konnte es nicht einrichten, seinen Freund in Trincomalee zu besuchen und schlug stattdessen vor, Ranjit sollte nach Colombo kommen, damit sie sich dort trafen.
    Ranjit war darüber ein bisschen verschnupft, und er machte kein Hehl daraus. »Tja«, erwiderte er, »ich weiß nicht, ob ich so Knall auf Fall Urlaub von meinem Job kriege.«

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