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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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Aber Gamini wandte alle seine Überredungskünste auf, und wie es sich heraustellte, war der Bauleiter sofort damit einverstanden, dass Gamini sich freinahm. Er erklärte ihm, er könne so lange von der Arbeit wegbleiben, wie es ihm passte. Kein Wunder, denn der Schwager des Mannes stand schon in den Startlöchern, um Ranjits Stelle - und dessen Lohn - einzunehmen, so lange er fort blieb.
    Ganesh Subramanian übertraf sich beinahe selbst, um ihm die Fahrt nach Colombo zu ermöglichen. Anfangs hatte Ranjit befürchtet, seinem Vater könnte es nicht recht sein, dass Gamini nun wieder in das Leben seines Sohnes trat und sie ihre alte Freundschaft erneuerten. Doch er hatte sich getäuscht. Offenbar hatte er gegen ein kurzes Zusammentreffen, das zudem noch in beträchtlicher Entfernung von Trincomalee stattfand, nichts einzuwenden. Im Gegenteil, er bemühte sich, seinem Sohn möglichst viele Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. »Du willst den Bus nehmen?«, fragte er und winkte ab. »Kommt gar nicht in Frage. Mir steht ein Van zur Verfügung, den ich überhaupt nicht benutze. Mit dem wirst du fahren, Ranjit. Du darfst ihn behalten, so lange du willst. Wer weiß, vielleicht halten die Insignien des Tempels an den Türen
Leute mit bösen Absichten davon ab, die Luft aus den Reifen zu lassen.«
    Also brauste Ranjit im tempeleigenen Van nach Colombo, ausgerüstet mit einer Reisetasche, in der sich saubere Kleidung für mehrere Tage befand. Zu seiner Verblüffung hatte Gamini ihm erzählt, er würde nicht im Haus seines Vaters wohnen, sondern in einem Hotel. Warum er sich in dieses ganz bestimmte Hotel einquartiert hatte, konnte Ranjit noch gut nachvollziehen - darin gab es eine Bar, in der die beiden Jungen auf ihren Streifzügen durch die Stadt häufig verkehrten -, aber es wunderte ihn, dass Gaminis Vater damit einverstanden war, dass sein Sohn auch nur eine einzige Nacht außerhalb des elterlichen Heims verbrachte.
    Als Ranjit an der Rezeption bat, man solle Gamini auf seinem Zimmer anrufen und ihm Bescheid sagen, dass er Besuch hätte, schüttelte der Angestellte nur den Kopf und deutete in Richtung der Bar. Und tatsächlich entdeckte er dort seinen Freund, aber er war nicht allein. Rechts und links von ihm saßen Mädchen, und auf dem Tisch stand eine fast leere Weinflasche.
    Alle drei standen auf, um Ranjit zu begrüßen. Das blonde Mädchen hieß Pru; das andere, dessen Name Maggie lautete, hatte Haare in einer Lippenstiftfarbe, die keine menschlichen Gene hervorbringen konnten. »Ich hab die beiden im Flugzeug getroffen«, verkündete Gamini, nachdem er die Mädchen vorgestellt hatte. »Sie sind Amerikanerinnen. Angeblich studieren sie in London, aber dort besuchen sie die Kunstakademie, und das Einzige, was man dort lernt, ist schön auszusehen. Aua!«
    Er stieß einen Schmerzensschrei aus, weil Maggie, die mit den unmöglichen roten Haaren, ihn fest ins Ohr kniff. »Hör nicht auf das, was er sagt«, wandte sie sich an Ranjit. »Pru und ich sind in Camberwell eingeschrieben. Das ist ein renommiertes College für Kunst, wo die Professoren einen wirklich ans Arbeiten kriegen. Jemand wie Gamini würde dort keine Woche überdauern.«

    Ranjit streckte die Hand aus, weil er diese Geste für angebracht hielt. Ein Mädchen nach dem anderen schüttelte ernsthaft seine Hand. »Ich bin Ranjit Subramanian«, stellte er sich vor.
    Das Mädchen mit Namen Maggie erwiderte: »Ach, wir wissen, wer du bist. Gamini hat uns alles Wichtige über dich erzählt. Du bist ein kleiner Bursche mit einem langen Namen, und du verbringst deine gesamte Zeit damit, über ein einziges mathematisches Problem zu brüten. Gamini meint, wenn überhaupt jemand die Lösung des Rätsels findet, dann du.«
    Ranjit, der gelegentlich immer noch an Anwandlungen von Gewissensbissen litt, weil er Fermats Letzten Satz vernachlässigte, fiel dazu keine Erwiderung ein. Hilfesuchend blickte er Gamini an, doch der machte ebenfalls einen etwas verlegenen Eindruck. »Hör zu, Ranjit«, begann er in einem Ton, der noch schuldbewusster wirkte als seine Miene, »die schlechte Nachricht sage ich dir am besten zuerst. Als ich dir schrieb, hatte ich gehofft, wir beide könnten wenigstens ein paar Tage zusammen verbringen.« Er schüttelte den Kopf. »Leider geht das nicht. Mein Dad hat dafür gesorgt, dass ich völlig ausgebucht bin. Schon ab morgen schleift er mich von morgens bis spät in die Nacht zu allen möglichen Familientreffen.«
    Ranjit erinnerte sich noch

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