Das letzte Theorem
gut an die Zeit, ehe Gamini nach London aufbrach. Es war wieder einmal dasselbe. Er ließ seine Enttäuschung durchblicken. »Das ist wirklich schade. Ich habe mir extra eine Woche freigenommen und bin mit dem eigenen Wagen da.«
Gamini hob rebellisch die Schultern. »Ich kann’s nicht ändern. Mein Vater hatte mich sogar schon heute für ein Abendessen eingeplant, aber dagegen habe ich mich gewehrt.« Eine Weile fasste er Ranjit prüfend ins Auge, dann grinste er. »Trotzdem - ich bin verdammt froh, dich zu sehen! Komm, wir wollen uns umarmen!«
Das tat Ranjit gern. Bereitwillig schloss er Gamini in die Arme, zuerst ein bisschen distanziert, um seinen Freund vor
den Mädchen nicht zu blamieren, doch als dessen warmer Körper sich dann gegen seinen presste, legte er seine Hemmungen ab und erwiderte die Umarmung mit der überschwänglichen Zuneigung, die er für Gamini empfand. »Setz dich zu uns und lass uns auf das Wiedersehen trinken«, schlug Gamini vor, nachdem sie sich ausgiebig gedrückt hatten. »Pru, bist du so lieb und sorgst dafür, dass er einen Drink bekommt?«
In dem Bewusstsein, dass beide Mädchen irgendetwas, das mit Kunst zu tun hatte, studierten, versuchte Ranjit, eine höfliche Konversation in Gang zu bringen. »Du strebst also eine Karriere als Künstlerin an?«, fragte er Maggie.
Verdutzt blickte sie ihn an. »Um zu verhungern? Nein, das wäre das Letzte, was ich mir vornehme! Am liebsten würde ich an einem College in der Umgebung von Trenton, New Jersey, Kunstunterricht erteilen, denn dort leben meine Eltern. Und wenn ich irgendwann einmal heiraten sollte, werde ich halt in der Stadt Kunst unterrichten, in der mein Mann arbeitet.«
Die Blondine, Pru, warf ein: »Oh, ich wäre liebend gern eine Künstlerin, Ranjit. Doch dazu wird es leider nie kommen. Ich besitze nicht das geringste künstlerische Talent, und nach Shaker Heights, wo ich herkomme, gehe ich sowieso nicht zurück. Ich möchte gern in einem Auktionshaus wie zum Beispiel Sotheby’s arbeiten, und zwar als Auktionatorin. Man verdient gut, kommt mit interessanten Leuten zusammen, und ich hätte dauernd mit Kunst zu tun, auch wenn ich selbst nicht kreativ wäre.«
Maggie, die Ranjit gerade ein Glas mit Arrak und Cola herüberreichte, fing an zu lachen. »Das ist doch Spinnerei!«, behauptete sie.
Pru schob ein Bein an Gaminis Beinen vorbei und versetzte ihr einen Tritt. »Blöde Kuh!«, schimpfte sie. »Natürlich fängt man nicht an der Spitze an. Zuerst macht man ein Praktikum, und am Anfang bekommt man so langweilige Aufgaben wie
das Abschreiben der Nummern, die die Bieter in den hintersten Reihen hochhalten, wo der Auktionator nicht hinguckt. Was ist, Ranjit? Magst du keinen Arrack mit Cola?«
Ranjit wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte. Als er und Gamini damals Colombo erkundeten, war er auf dieses spezielle Getränk ganz versessen gewesen, nur hatte er es seit Gaminis Fortgehen nie wieder getrunken. Doch als er nun davon kostete, fand er wieder Geschmack daran. Es rann ihm glatt die Kehle hinunter, und das zweite Glas schmeckte genauso gut.
Obwohl der Abend nicht so verlief, wie Ranjit erwartet hatte, entwickelte er sich gar nicht mal so schlecht. Zu irgendeinem Zeitpunkt verließ das Mädchen mit Namen Pru Gaminis Seite und setzte sich dicht neben Ranjit. Sofort fielen ihm drei Dinge an ihr auf. Ihr Körper war warm, weich und roch recht angenehm. Nicht dass sie einen so herrlichen Duft verströmt hätte wie Myra de Soyza - oder, wenn auch natürlich in ganz anderer Weise, wie Mevrouw Beatrix Vorhulst -, aber er fand ihre Nähe trotzdem sehr angenehm.
Ranjit war nicht dumm. Selbstverständlich wusste er, dass die Wohlgerüche, die von Frauen ausgingen, in erster Linie auf künstlichen Produkten beruhten, die man sich in jeder Drogerie kaufen konnte. Doch das spielte für ihn keine Rolle. Es behagte ihm, und außerdem besaß Pru noch weitere Vorzüge; zum Beispiel bereitete es ihm ein gutes Gefühl, wenn sie sich gegen seinen Arm lehnte, und sie gab ziemlich oft witzige Bemerkungen von sich. Alles in allem fand Ranjit den Abend recht unterhaltsam.
Doch als die Zeit verging, vergegenwärtigte er sich, dass ihm noch ein paar Fragen auf der Seele brannten. Als die Mädchen zur Toilette gingen, nutzte er die Gelegenheit, um wenigstens einige dieser Fragen loszuwerden. Zunächst einmal wollte er wissen, ob Gamini in London oft mit Pru und Maggie zusammenhinge. Gamini schaute überrascht drein. »Ich hab
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