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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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sollte, doch er wünschte sich jemanden, mit dem er reden konnte - natürlich nicht über Pru, die Frau ohne Nachnamen, sondern über irgendetwas, Hauptsache, er war nicht allein. Spontan fuhr er einfach weiter zum Haus der Familie Kanakaratnam, und er hatte Glück.
    Die Mutter sowie sämtliche Kinder waren daheim. Durch die geschlossene Tür konnte er Dot Kanakaratnams Stimme hören, aber sonst sprach niemand. Als Tiffany ihm auf sein Klopfen hin die Tür öffnete und ihn ins Haus ließ, sah er, dass ihre Mutter am Tisch saß und mit dem Handy telefonierte. (Ranjit hatte gar nicht gewusst, dass sie eines besaß.) Als sie ihn im Türrahmen stehen sah, sagte sie noch hastig ein paar Worte und klappte das Handy zu. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, der Ranjit beunruhigte. Er wusste nicht recht, wie er ihn deuten sollte - Wut? Traurigkeit? »Du bist ja viel zu früh
wieder zurück, Ranjit«, meinte sie dann. »Wir hatten angenommen, du würdest mehr Zeit mit deinem Freund verbringen.«
    »So war das ursprünglich auch geplant«, gab er bedauernd zu, »aber es hat nicht geklappt. Trotzdem war es schön.« Er hatte nicht vorgehabt, ihnen zu erzählen, wie gut er sich amüsiert hatte, sondern wollte schildern, was für ein interessanter Ort Colombo war, aber die Mienen der Kinder hielten ihn davon ab. »Ist was passiert?«, erkundigte er sich.
    Dot antwortete für alle. »Es geht um George. Meinen Mann. Er ist aus dem Gefängnis ausgebrochen.«
    Diese Nachricht stellte alles in den Schatten, was Ranjit hätte berichten können. Sie war nun das einzig beherrschende Thema in der Familie. Ranjit drängte darauf, Einzelheiten zu erfahren. Aus irgendwelchen nicht nachvollziehbaren, nur der Polizei bekannten Gründen, wollte man George in ein anderes Gefängnis verlegen. Als das Transportfahrzeug mit ihm unterwegs war, wurde es in einen schweren Unfall verwickelt. Der Fahrer und der Bewacher starben an ihren Verletzungen. Kanakaratnam blieb unversehrt und hatte sich einfach aus dem Staub gemacht.
    »Die Polizei von Trinco war den ganzen Tag lang hier«, steuerte Harold bei, als seine Mutter eine Pause einlegte, um Atem zu schöpfen. »Sie sagten, Dad hätte auf einem Boot flüchten können. Ganz in der Nähe der Straße gibt es eine Brücke, die über einen ziemlich breiten Fluss führt.«
    »Aber man hat überhaupt keine Blutspuren gefunden«, trumpfte Rosie zu Ranjits Verblüffung auf. Er fand, bei einem Unfall, der zwei Menschenleben gefordert hatte, müsse es irgendwo Blutspritzer geben.
    Tiffany klärte die Angelegenheit. »Sie meint, in dem Bus war nirgendwo Blut, bloß um die beiden vorderen Sitze herum. Das könnte bedeuten, dass unser Vater nicht verletzt wurde.«
    Dot blickte Ranjit feindselig an. »Für dich ist George nichts weiter als ein Knastbruder, aber für die Kinder ist er der Vater, den sie lieben.« In versöhnlicherem Ton fuhr sie fort: »Soll ich
dir eine Tasse Tee aufbrühen? Dann kannst du uns von deinem Ausflug erzählen. Wir freuen uns schon darauf.«
    Auf ihren einladenden Wink hin setzte sich Ranjit zu der Familie an den Tisch. Aber ehe er dazukam, seine Erlebnisse zu schildern, wedelte Tiffany mit der Hand. Als sie dann sprach, redete sie ihre Mutter an, nicht Ranjit. »Sollten wir ihm jetzt nicht von dem Brief erzählen?«, fragte sie.
    Dot warf Ranjit einen erschrockenen Blick zu. »Oh, das tut mir leid. Hier war so viel los, dass ich den Brief ganz vergessen habe.« Eine Weile klaubte sie in dem unordentlichen Wust von Papieren auf dem Tisch herum, dann förderte sie einen Umschlag zutage und reichte ihn Ranjit. »Einer der Mönche hat ihn gebracht. Er lag eine Woche lang im Postzimmer des Tempels, weil keiner wusste, wo du dich aufhältst.«
    »Und heute früh, als sie es herausbekamen, brachten sie den Brief zu deinem Zimmer, aber du warst ja nicht da«, ergänzte Tiffany. »Unsere Mutter hat gesagt, sie könnten ihn hierlassen und wir würden schon dafür sorgen, dass du ihn erhältst.«
    Dot schien sichtlich verlegen. »Stimmt, das habe ich gesagt. Die Polizei war gerade bei uns, und ich wollte bloß, dass der Mönch so schnell wie möglich wieder geht …«
    Sie brach ab, als sie merkte, dass Ranjit ihr gar nicht mehr zuhörte. Der Umschlag trug die Absenderadresse des Strandhotels, das direkt neben der Baustelle lag, auf der Ranjit jobbte. Auch das Briefpapier stammte aus dem Hotel. Rasch überflog Ranjit die wenigen Zeilen.
    »Lieber Ranjit,
    ein paar Tage lang wohne ich in diesem Hotel.

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