Das letzte Treffen
Saft
sind im Kühlschrank, wenn du willst«, sagt Maria, ohne mein Lächeln
zu erwidern.
»Warst du joggen?«
»Nein, ich bin gerade
auf dem Weg nach draußen, um laufen zu gehen.«
»Wo ist dein Großvater?«
»Opa spaziert jeden
Morgen an den Landesteg hinunter.«
Ich gehe lächelnd zu
ihr. Streiche ihre roten Haare von der Wange.
»Du warst super heute
Nacht«, sage ich.
Maria weicht mir aus. Geht in
Richtung Küchentür.
»Musst du denn
unbedingt jetzt los?«, frage ich.
»Ja, ich muss.«
»Wann treffe ich dich
wieder?«
»Gott will das nicht.«
»Was will er nicht?«
»Das, was wir heute
Nacht gemacht haben.«
»Das ist ihm doch
wahrscheinlich ziemlich egal.«
»Nein, das, was wir
gemacht haben, ist Sünde, das steht in der Bibel.«
»So ein Blödsinn.«
»Das ist gegen Gottes
Willen.«
»Dieser Kerl mit dem
langen Bart hat sicher ganz andere Sorgen, als sich darum zu kümmern,
ob wir Spaß daran hatten, miteinander zu schlafen«, antworte
ich und lächle schwach. »Kriege, Massenmorde, Hungersnöte,
Epidemien, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tornados.«
Maria guckt mich traurig an.
Als hätte ich ihren besten Freund schwer gekränkt.
»Du musst die Haustür
kräftig zuziehen«, sagt sie nach kurzem Schweigen. Und eilt aus
dem Haus. Um in der Kälte durch die Straßen des Ortes zu
laufen.
Ich erkunde die Auswahl im Kühlschrank.
Schütte mich mit Apfelsaft zu. Und einem Kaffeejoghurt.
Ich habe schon wieder Lust
auf erfrischende Eiswürfel. Sogar noch mehr Lust als auf meinen alten
Freund aus Tennessee. Jackie Daniels.
Aber ich finde keine Eiswürfel.
Im Gefrierfach herrscht gähnende Leere.
»So'n Mist!«
Auf dem Weg nach draußen
gucke ich nochmal ins Wohnzimmer. Und öffne einfach mal den braunen
Eichenschrank auf gut Glück. Ich sehe nichts Interessantes. Außer
ein paar Fotos. Darunter ein relativ neues Bild von Maria. Das geschossen
wurde, nachdem sie ihr langes Haar rot gefärbt hatte.
Ich nehme das Foto einfach
mit. Ohne um Erlaubnis zu fragen.
Setze mich in meinen
wunderbaren Silberhengst, der mich vor dem Haus erwartet. Rausche Richtung
Reykjavik ab. Lege einen kurzen Stopp an einem Schnellimbiss ein. Dort
bekomme ich einen großen Pappbecher voll mit wunderbaren Eiswürfeln.
»Lecker!«
33. KAPITEL
Hermann Jónatansson
lebt auf der Straße.
»Er übernachtet
oft hier, aber nicht immer«, gibt mir ein Mitarbeiter Auskunft, der
in einer Unterkunft für Obdachlose der Hauptstadt arbeitet. »Allerdings
machen wir über Tag zu, und dann sind diese Unglücksraben
unterwegs in der Stadt.«
»Wo kann man Hemmi denn
am wahrscheinlichsten treffen?«
»Mir wurde gesagt, dass
er gerne runter zum Grandi in die Weststadt geht, um von seinen alten
Schiffskameraden eine Flasche zu schnorren.«
Grandi ist ein beliebtes
Viertel mit Kleinindustrie in der Weststadt. Es besteht aus einer
Landaufschüttung bis zur Örfirisey, die einmal eine Insel war.
Aber jetzt eine Art Landzunge ist.
Ich setze Lisa Björk auf
die Arche an. Um nach Hemmi zu suchen. Während ich mich um
dringendere Aufgaben kümmere. Gute Zinsen für das
Stellasparschwein einheimsen.
Ihr gelingt es unglaublich
schnell, den Knaben aufzutreiben.
»Sie haben ihn aus dem
Grandakaffi rausgeschmissen«, sagt sie.
»Ich dachte, die
schicken nie jemanden weg?«
»Er ist dreckig und
cholerisch, den kann man kaum irgendwo vorzeigen.«
»Bearbeite ihn. dass er
mit dir ins Büro kommt.«
Eine halbe Stunde später
ruft Lisa Björk auf meinem Handy an.
»Hermann ist im
Besprechungszimmer«, verkündet sie.
Er sieht sogar noch schlimmer
aus, als ich es mir aufgrund der Beschreibung ausgemalt hatte. Wirkt für
einen Mann zwischen fünfzig und sechzig wesentlich älter. Rötliches
Gesicht nach langem Alkoholmissbrauch.
Auf der rechten Wange hat er
eine hässliche Narbe. Alt und verwachsen. Wahrscheinlich von einem
Messer.
»Ich habe versprochen,
ihn zu bezahlen«, sagt Lisa Björk. »Das war der einzige
Weg.«
Hemmi trocknet sich seine
Nase mit seinem Handrücken ab, als ich hereinkomme. Er hat seinen
dunkelblauen Wintermantel ausgezogen und ihn auf den Konferenztisch
gelegt. Seine Jeans ist dreckig. Die braunen Winterschuhe auch.
»Was krieg ich dafür,
dass ich hier aufgetaucht bin?«, fragt er mit rauer Stimme.
»Das stellt sich
heraus, wenn wir miteinander gesprochen haben.«
»Worüber
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