Das letzte Treffen
weiche Rinderfilet mit vorzüglicher Rotweinsauce hermache.
Zwischendurch zerbeiße
ich kristallklare Eiswürfel, als wären es Bonbons.
»Lecker.«
»Vielen Dank, dass du
Mama besuchst«, sagt Maria. »Ich war nicht sicher, ob ich dich
anrufen sollte.«
»Es ist auch für
mich eine Herzensangelegenheit, diesen Fall zu lösen.«
»Wie kommt das?«
»War der Tod deines
Bruders ein Unfall oder nicht? Das ist die Frage. Die Antwort lautet nur
dann ja, wenn ich alles andere ausschließen kann.«
»Was brauchst du dafür
vor allem?«
»Ich muss mich davon
überzeugen, dass Donalds Alibi für diesen Sonntag wasserdicht
war.«
»Zweifelst du wirklich
daran?«
»Ich weiß es
nicht so genau. Hoffentlich klärt es sich, wenn ich mit mehreren
Zeugen rede. Vor allem aber mit Andri Ólafur und seinen früheren
Saufkumpels. Hermann und Kjartan.«
»Von Hemmi kannst du
nicht viel erwarten, er lebt als Obdachloser in Reykjavik, aber mein Onkel
Kjartan wohnt in Mosfellsbaer.«
»Was macht er da?«
»Kjartan unterrichtet
seit langem Sport in der Grundschule. Außerdem ist er Fußballtrainer
für die jüngeren Gruppen und Pfadfinderleiter.«
»Ein ganz Sozialer,
was?«
Maria zuckt mit den
Schultern.
»Du warst neun Jahre
alt, als Kalli verschwand. Welche Erinnerungen hast du an den Tag?«
»Sehr wenige«,
antwortet sie. »Wir hatten vor, zu dritt nach Reykjavik zu fahren, aber Mama hat
den Ausflug verschoben, weil Opa mit Grippe im Bett lag.«
»Was hast du
stattdessen getan?«
»Ich erinnere mich,
dass Mama sich nach Kalli umgehört hat und in alle Richtungen
telefoniert hat. Sie hat sich den Polizisten gegenüber wahnsinnig
aufgeregt, denn sie sahen keinen Anlass, sofort nach Kalli zu suchen.«
»Hast du an dem Tag
nicht draußen gespielt?«
»Nein, ich glaube
nicht.«
»Kam dich niemand
besuchen?«
»Ich wollte lieber
alleine sein.«
»War Jakob wirklich der
beste Freund deines Bruders?«
»Ja, Kalli und Kobbi
waren immer zusammen, auch in der Schule.«
»Wo ist er jetzt?«
»Nach dem Unfall ist er
zu seiner Tante nach Reykjavik gezogen.«
»Als sein Vater starb?«
»Ja.«
»Kanntest du seinen
Vater?«
Maria nickt. Und schüttelt
sich. Ihr scheint kalt zu sein.
Obwohl es im Speisesaal
wirklich heiß ist.
»Was hat der Typ
gearbeitet?«
»Geir war bei der
Feuerwehr auf dem Keflaviker Flugplatz.«
»Wie war er denn so?«
Maria schweigt eine gute
Weile. Als ob sie es schwierig fände, die Frage zu beantworten.
Schließlich faucht sie angewidert.
»Er war ein totaler
Widerling.«
31. KAPITEL
María ist bedrückt.
Meine Fragen haben scheinbar
sehr empfindliche Saiten in ihrem Inneren berührt. Alte Gespenster
der Vergangenheit wachgerufen. Bittere Erinnerungen, die immer noch bange
Ahnungen und Wut entfachen.
Trotzdem zögert Maria,
ihren Kommentar über Geir genauer zu erklären.
»Ich möchte jetzt
nicht weiter darüber sprechen«, sagt sie entschieden. Als ich
versuche, sie auszuquetschen.
»Aber du kannst mir
doch nicht einfach sagen, dass Jakob Geirssons Vater ein Widerling war,
ohne es mir genauer zu erklären«, sage ich.
»Jetzt ist weder der
richtige Ort noch der richtige Moment dafür.«
»Wo denn dann?«
Sie zuckt wieder mit den
Schultern. Als wäre das nicht ihr Problem.
Nachdem ich meine Überredungskünste
großzügig einsetzen musste, stimmt sie zu, das Gespräch im
Hause ihres Großvaters Haflidi an der Sudurgata fortzuführen.
Es ist nicht weit.
Ich parke meinen Silberhengst
vor der Hauswand.
Die alten Holzhäuser
sehen aus wie kleine Hütten im Vergleich zu den großen Betonhäusern,
die um sie herum erbaut wurden.
»Wo wohnte Jakob?«,
frage ich.
»Da«, antwortet
Maria und deutet mit ihrem Kinn die Richtung an.
Das Haus ist
heruntergekommen.
An vielen Stellen kann man in
der weißen Mauer Risse erkennen. In beiden Stockwerken. Manche der
Wellblechplatten auf dem Dach sind schon rot vor Rost. Am meisten aber
rings um den dunkelgrauen Schornstein, der sich aus der Mitte des
Dachgeschosses erhebt. Und am südlichen Giebel.
Hier und da fehlen auch ein
paar Latten am Zaun, der den Garten begrenzt.
»Wohnt da jetzt jemand?«
»Sie vermietet das Haus«,
antwortet Maria.
»Wer?«
»Gunnvör, Kobbis
Tante, das Haus ist immer noch ihr Eigentum.«
Maria führt mich in
Haflidis verlassenes Wohnzimmer. Die abgenutzten
Weitere Kostenlose Bücher