Das letzte Treffen
Mittag die Beerdigung stattfindet.
Ein Sarg. Zwei Leichen.
Mutter und Sohn wieder
vereint. Nachdem sie über dreißig fahre getrennt waren.
Njördur Njardarson hat
Matthildur Haflidadóttir die Nachricht überbracht. Als die
Schwarzjacken die sterblichen Überreste von Karl Illugason im
Schornstein des alten Hauses in der Sudurgata gefunden haben.
Wer hat den kleinen Kalli
umgebracht? Geir oder Donald?
Weder der eine noch der
andere können berichten, was sich im Hause des Kinderschänders
abgespielt hat. Wir werden es nie sicher erfahren, wer Kalli erschlagen
hat.
In meinen Augen sind sie
beide gleich schuldig.
»Matthildur wurde von
tiefem Frieden erfüllt, als ich ihr berichtet habe, dass wir endlich
ihren Sohn gefunden haben«, sagte Njördur. »Ich habe den
Himmel in ihrem Blick gesehen.«
In der darauffolgenden Nacht
konnte sie loslassen.
Ist im Schlaf gestorben.
Raggi hat mich vor ein paar
Tagen besucht. Um ein Protokoll aufzunehmen.
Jakob Geirsson hat bereits
bei einem Verhör zugegeben, Donald Garber aus Rache ermordet zu
haben. Und die Leiche verstümmelt zu haben. Aber sein Bericht war
unzusammenhängend.
»Es ist nicht sicher,
ob er überhaupt verhandlungsfähig ist, wenn der Fall vors
Gericht kommt«, sagt Raggi. »Im Moment sollten wir jedenfalls
davon ausgehen.«
Die Goldjungs haben bereits
bestätigt, dass die roten Haare, die auf der Kleidung von Donald
Garber gefunden wurden, von der Perücke stammen, die ich im
Kleiderschrank gefunden habe. Von der Perücke, die Jakob an dem Abend
benutzt hat, als er sich in Karitas verwandelt hat.
»Wir wissen, dass Jakob
Geirsson mit einem Fuß in New York lebte, wo er hauptsächlich
damit Geld verdient hat, als Drag-Queen in Clubs aufzutreten«,
berichtet Raggi. »Er war unglaublich geübt darin, wie eine Frau
zu wirken, und daher ist es verständlich, dass Andri Olafur sich hat
täuschen lassen. Ich selbst habe die Karitas auf den Überwachungskameras
auch immer für eine Frau gehalten.«
Die Goldjungs sind bisher
dahintergekommen, dass Donald Jakob kurz vor Weihnachten im letzten Jahr
zufällig in einem Nachtclub getroffen hat.
Sie haben die Nacht bei
Donald zu Hause verbracht, wo er Jakob seine geheime Pornobilder-Sammlung
gezeigt hat. Darunter waren auch die Nacktaufnahmen vom kleinen Kalli.
Donald hat sich mit seinen
Erfolgen auf Island gebrüstet. Und damit sein eigenes Todesurteil
unterschrieben.
Andri Ólafur ist zurück
nach Luxemburg gereist.
Er hat sich seine Freude darüber,
wieder frei zu sein, etwas kosten lassen.
»Zum ersten Mal in
meinem Leben bezahle ich jetzt eine Blanko-Rechnung«, sagte er.
»Du entscheidest selbst die Höhe des Betrags. Auf die Weise möchte
ich meine immerwährende Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.«
Natürlich werde ich
Andri Ólafur beim Wort nehmen.
Er hat es verdient, anständig
zu blechen.
Ich ziehe mir eine neue weiße
Rüschenbluse an. Schwarze Lederkombination. Dazu passende Stiefel.
Lisa Björk ist in den
letzten Tagen über sich selbst hinausgewachsen.
Sie konnte die Schwarzjacken
dazu bewegen, erneut einen Antrag auf Näherungsbann für Baldvin
Sigurlinnason zu stellen. Diesmal kommt er uns nicht davon.
Sie hat auch einen Teilsieg
in Pfarrer Davids Fall errungen und die zweite Vorsitzende nach Hlédís
Ásgrímsdóttir im Pfarrgemeinderat veranlasst, eine
Gemeindeversammlung abzuhalten, bei der eine Abstimmung über die
Zukunft des Pfarrers stattfinden soll.
Cora wartet in der Diele auf
mich. Während ich mich die Treppe hinunterschleppe.
»Welchen Mantel möchtest
du mitnehmen?«
»Den schwarzen.«
Sie holt meinen langen
schwarzen Ledermantel aus dem Kleiderschrank in der Diele. Öffnet die
Haustür. Wartet darauf, dass ich vor ihr hinausgehe.
Die Morgensonne scheint schon
über der Weststadt. Trotzdem sind immer noch Wolken am Himmel. Und
der Wind vom Meer her ist frisch und kühl.
»Ich glaube, dass der
Frühling jetzt endlich kommt«, sagt Cora lachend.
Sie setzt sich hinters
Steuer. Fährt meinen Silberhengst nach Keflavik.
Ich lehne mich in den gemütlichen
Beifahrersitz zurück. Schließe die Augen. Und denke an das
winzige Menschlein, das sich immer noch in einer Art Mutterleib im
Kinderkrankenhaus befindet.
Sóley Árdís
Blómkvist. Der neue Frühling in meinem Leben.
Oder etwa nicht?
»Kinder sind wie
Handschellen. Sie nehmen unser Denken
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