Das letzte Treffen
willst du
mit mir sprechen?«
»Keflavik, Sonntag, 17.
Februar 1974. Über den Tag, an dem Karl Illugason verschwand.«
Hermann guckt mich verständnislos
an. Räuspert sich ein paar Mal.
»Warum denn dieser alte
Fall?«, fragt er.
»Ich muss alles wissen,
was sich an dem Tag abgespielt hat.«
»Warum?«,
wiederholt er.
»Für Matthildur.«
Er verstummt eine Weile.
»Ich kann dir nichts
Neues sagen«, meint er schließlich.
»Man weiß nie,
was zum Vorschein kommt, während wir uns unterhalten.«
»Ich habe keine Lust,
über diese Keflavik-Meute zu reden«, sagt er und schüttelt
seinen verstrubbelten Kopf. »Die haben mich nie in Ruhe gelassen.«
»Du musstest aus dem
Ort fliehen, nicht wahr?«
»Ich will jetzt nicht
daran denken müssen.«
»Fangen wir doch mal
von vorne an«, sage ich. »Erinnerst du dich, wann du an dem
Sonntag das Haus verlassen hast?«
»Ich erinnere mich an
gar nichts, wenn ich trocken bin.«
Als Hemmi nicht nachgibt,
schicke ich Lisa Björk in den ersten Stock. Um eine volle Flasche
Jackie Daniel's zu holen. Den Edelalk aus Tennessee.
Ich schraube den Verschluss
ab. Rieche den wunderbaren Duft meines langjährigen, besten Freundes.
Aber ich widerstehe der Versuchung. Wieder einmal.
»Du kriegst jetzt nur
einen Schluck«, sage ich.
Er reißt Jackie Daniels
an sich. Hält die Flasche mit beiden Händen fest. Trinkt direkt
vom Hals. Einen Riesenschluck.
Danach schleckt er sich die
Lippen ab. Damit auch ja kein Tropfen verlorengeht.
»Lecker, nicht wahr?«,
frage ich lächelnd. »Wenn du mir alles beantwortest, was ich
wissen will, darfst du die Flasche behalten.«
Hermann scheint mit sich zu
ringen.
Aber nur einen kurzen Moment.
Sein Bericht stimmt in allen
wesentlichen Punkten mit der Zeugenaussage überein, die er 1974 zu
Protokoll gegeben hat und die von Njördur Njardarson unterschrieben
wurde.
Er hatte einen gewaltigen
Kater, als er Jakob Geirsson einen Steinwurf von den Duus-Häusern
entfernt traf. Hat gesehen, wie Karl Illugason in den Felsen
spielte. Und hat Donald Garber auf der Hafnargata getroffen.
»Bist du sicher, dass
du Donald an diesem Sonntag getroffen hast?«
»Ja.«
»Was hat Donald in der
Hafnargata gemacht?«
»Er saß hinterm
Steuer von seinem Ford und hat auf jemanden gewartet.«
»Auf wen?«
»Es stand mir nicht zu,
danach zu fragen.«
»Warum nicht?«
»Ich habe das bekommen,
was ich brauchte, und eilte wieder nach Hause.«
»Meinst du die Biere?«
Hermann beäugt den
Jackie Daniels.
»Okay«, sage ich.
»Nimm dir noch einen.«
Ich warte ungeduldig darauf,
dass er die Flasche wieder hinstellt.
»Die Biere, ja«,
sagt er und grinst. »Donald war immer mit allem gut ausgerüstet.«
»Wie meinst du das?«
»Weißt du es
nicht?«
»Was?«
»Wenn man Hasch haben
wollte, ging man zu Donald oder Andri.«
»Haben sie dir Hasch
verkauft?«
»Wenn ich Kohle hatte.«
»Hast du an diesem Tag
Hasch von Donald bekommen?«
»Ja, er hat mir ein
paar Gramm gegeben.«
»Warum hast du das beim
Verhör nicht gesagt?«
»Bist du wahnsinnig?«
Ich glotze den Kerl an.
»Die Bullen hätten
nur mich durchsucht, angezeigt und bestraft«, sagt er. »Sie
haben sowieso nie etwas von dem, was ich gesagt habe, geglaubt, waren der
Meinung, ich würde immer lügen.«
»Bist du sicher, dass
Andri Ólafur auch Hasch verkauft hat?«
»Ja, sicher, aber Andri
hat sich nie direkt beim Dealen erwischen lassen.«
»Wie hat er es denn
sonst angestellt?«
»Er hatte immer
irgendwelche Verteiler, Jungs, die Hasch geraucht haben und die Klappe
halten konnten, wenn sie erwischt wurden.«
Es gelingt mir nicht, weitere
nützliche Sachen aus Hermann herauszuziehen. Obwohl ich weiterhin
nachbohre.
Schließlich gebe ich
auf. Frage ihn eher aus Spaß als im Ernst:
»War es nicht ungeheuer
schwierig, 1974 als Homo in Keflavik zu leben?«
»Ich war nie ein Homo«,
antwortet er brüsk, »das war nur eine gehässige Lüge
und sonst nichts.«
»Wirklich?«
»Ich hatte einen guten
Freund, mit dem ich in diesen Jahren immer zusammen war. Wir haben nichts
miteinander gehabt, aber das Gerücht wurde geboren, und alle glaubten
es.«
»Gab es vielleicht gar
keine Homos im ganzen Ort?«, frage ich amüsiert.
»Doch doch, aber
niemand hat über sie geredet, die hatten alle noch kein Coming-out.«
»Woher weißt du
das?«
»Manche glaubten
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