Das letzte Vermächtnis der Templer (German Edition)
Objekt besteht aus Kristall. Jetzt glaubt er sogar, eine Stimme zu hören. Sie spricht zu ihm, nur die Worte versteht er nicht. Nun kann er sich nicht zurückhalten, watet durch das flache Wasser und streckt langsam seine Hände aus, um den Schädel zu berühren. Das Objekt strömt etwas Magisches aus. Hugues Atem beschleunigt sich. Als seine Finger nur noch wenige Zentimeter entfernt sind, greift er fest zu. Der Schädel fühlt sich kalt an, doch sofort empfindet Hugues ein Gefühl tiefster Ruhe und Zufriedenheit. Es erfasst seinen ganzen Körper. Mit einem Mal glaubt er, das Universum zu verstehen. Alle Mühsal fällt von ihm. Was für eine Macht birgt der Schädel?
Die anderen Templer versammeln sich um Hugues.
„Ich danke Dir, O Herr, für dieses großzügige Geschenk”, äußert er demütig.
Er spürt eine Ausgeglichenheit wie noch nie. In diesem Gefühl gefangen, schweift sein Blick erneut zur Bundeslade, die nach wie vor strahlend im Licht schwebt.
Soll er es wagen?
‚Erweise dich deines Rufes als würdig, Hugues de Payns‘, glaubt er jetzt, die Worte des Schädels zu vernehmen, ‚sei mein auserwählter Sohn und leite deine Brüder zu meinem Wohlgefallen.‘
Was geschieht mit ihm? Welche Macht ist hier zugegen?
Er muss weiter gehen – zu der Bundeslade. Der Schädel befiehlt es ihm. Angst verspürt Hugues nicht. Er hat sein Leben dem Dienste Gottes geweiht. Er darf nicht zögern. So durchquert er den Wassergraben, betritt am anderen Ufer den sandigen Felsboden. Seine Brüder beobachten ihn bangend. Sie sind keines Wortes fähig. Hugues ist ausersehen, eine Erkenntnis zu erlangen, die seit König Salomos Zeiten keinem Menschen mehr zuteil geworden ist. Er würde in die Folge der Hohepriester des Tempels treten, die einzigen Personen, die jemals Zugang zur Bundeslade gehabt haben.
Schließlich steht Hugues vor dem größten Schatz der Christenheit: der Aron ha‘kodesch, wie sie im Hebräischen heißt. Es blitzt das pure Gold. Die Cherubim wirken filigran. Soll Hugues es wagen, seine Hand daran zu legen? Es gibt Menschen, die bei der Berührung gestorben sind - sagt die Bibel. Hugues kniet vor der Bundeslade nieder. Behutsam stellt er den Schädel auf den felsigen Boden, faltet die Hände und neigt seinen Kopf.
„Ich ergebe mich in tiefster Demut, O Herr.” Und dann benutzt er bewusst die Worte, die Jesus gesprochen hat. „In Deine Hände befehle ich meinen Geist.”
‚Du hast dich meiner würdig erwiesen, Hugues de Payns‘, vernimmt er erneut die Stimme des Schädels in seinen Gedanken, ‚dir will ich offenbaren, was Jahrhunderte im Verborgenen lag. Deine unermüdliche Reise hat hier ihr Ende.‘
Hugues wagt nicht, sich zu regen. Er verharrt in der Demutsstellung.
Sekunden der Stille. Die Spannung wächst ins Unermessliche.
Plötzlich ertönt ein scharrendes Geräusch, als rieben zwei schwere Steine aneinander. Hugues zuckt unwillkürlich zusammen. Ein Spalt zeichnet sich in der Deckplatte der Lade ab. Wie von Geisterhand bewegt, öffnen sich die Deckelhälften, schwingen langsam auseinander. Gleißendes Licht dringt aus dem Innern.
Erst jetzt schaut Hugues auf. Sein Herz pocht. Langsam wandert sein Blick über die goldene Vorderwand. Er sieht die aufgeklappten Deckelhälften mit den Cherubim und die Lichtfülle. Mit zitternden Knien erhebt er sich, grenzenlose Erwartung erfüllt ihn. Er glaubt, sein Herz würde zerspringen, so heftig schlägt es. Sein Blick gleitet über den Rand der Lade hinweg. Hugues sieht die vergoldeten Innenwände. Er wagt kaum mehr zu atmen. Immer weiter beugt er sich über die Bundeslade. Und dann erblickt Hugues den Inhalt: uralte Artefakte, die im goldenen Licht leuchten. Er spürt mit absoluter Gewissheit: Sie werden die Welt verändern.
Kapitel 1
Verhüllungen
Montag, 27. Oktober
Frankfurt am Main, Flughafen.
Mit einer halben Stunde Verspätung war die Airbus-Maschine aus Stockholm gelandet. Die Passagiere verließen das Flugzeug recht gemächlich. Vornehmlich Geschäftsleute, aber auch eine Reisegruppe, Touristen, die aus dem Urlaub kamen. Sie schwatzen, schwelgten in Erinnerungen.
Für all das hatte die junge Frau, die ungeduldig im Gang des Airbus darauf wartete, dass sich die Menschen vor ihr in Bewegung setzten, keinen Blick. Sie war Polizeikommissarin bei der Küstenwache, zurzeit in Schweden. Jetzt hatte sie zwei Wochen dienstfrei, freute sich auf schöne Tage bei ihren Eltern. Dennoch spürte sie eine gewisse Unruhe. Mehrmals hatte sie gestern
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