Das letzte Vermächtnis der Templer (German Edition)
gesund.”
„Ich möchte sie sehen”, flüsterte Sophia.
„Natürlich.”
Kurz darauf stand sie am Krankenbett ihrer Schwester. Viktoria schlief. Blutige Schrammen verunstalteten ihr Gesicht, der rechte Arm war verbunden. Ein Infusionstropf hing an einem Gestell neben ihrem linken Arm. Am Kopfende des Bettes standen Geräte mit blinkenden Digitalanzeigen. Tränen rannen Sophia über die Wangen. Ihre kleine Schwester. Sie war ihr zumindest geblieben.
Aber was sollte nun aus ihnen beiden werden?
Da spürte sie, wie ihr Onkel sanft über ihren Rücken strich und versuchte, ihr Trost zu spenden. Sie musste jetzt stark sein, stark für ihre Schwester. Mit zitternden Fingern strich sie sich die Tränen von den Wangen. Begreifen konnte sie das Geschehene im Moment nicht. Langsam ging sie zu ihrer Schwester. Sanft beugte sie sich zu ihr hinunter und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ich werde dich nie wieder alleine lassen, Vicky”, flüsterte sie. „Das verspreche ich dir.”
„Haben Sie denn jemanden, dem Sie sich jetzt anvertrauen können?”, fragte der Arzt behutsam. „Onkel, Großvater …?”
„Ich werde mich vorerst um meine beiden Nichten kümmern”, entgegnete Wulff.
„Das ist gut zu hören, Herr Wulff”, sagte der Arzt. „Und dann sollten Sie umgehend zur Polizei gehen. Ein Kommissar Krieger erwartet Sie bereits.” Er reichte Sophia eine Visitenkarte.
Schmerzerfüllt schloss sie die Augen. Und sofort glaubte sie, quietschende Bremsen zu hören, den Crash, als der Wagen ihres Vaters sich überschlug, glaubte, den Feuerschein zu sehen. War es nun doch kein Unfall? War der Wagen ihres Vaters bewusst von der Straße gedrängt worden? Was sollte sie glauben? Mit Verzweiflung im Blick sah sie ihren Onkel an.
Er reagierte und sagte: „Komm, ich bringe dich jetzt erstmal hier raus.”
Der Arzt nickte zustimmend. „Wir werden Ihre Schwester morgen verlegen. Dann können Sie sie auf der Station besuchen.”
„Vielen Dank, Herr Doktor”, sagte Wulff.
„Nochmals mein aufrichtiges Beileid”, verabschiedete sich der Arzt.
Sophia war kaum eines klaren Gedankens fähig. Sie klammerte sich fest an ihren Onkel, als sie die Intensivstation verließen. Im Gang angekommen, hätte Sophia am liebsten laut geschrien vor Trauer und vor Wut. Ihre Eltern waren tot! Und niemand konnte ihr sagen, was wirklich geschehen war.
Die drei Jugendlichen rannten auf sie zu. „Wie geht es Vicky?”, fragte Martin aufgeregt.
„Sie wird wieder gesund werden”, antwortete Wulff. „Ihr solltet jetzt nach Hause gehen, bevor eure Eltern sich Sorgen machen.”
„Aber …”
„Ihr könnt hier nichts tun, Leute.”
„Und ihre Eltern?”, fragte das eine Zwillingsmädchen, das wohl Sophias rotgeränderte Augen bemerkt hatte.
„Geht jetzt nach Hause”, wiegelte Wulff schnell ab.
Die Jugendlichen verstanden den eindringlichen Appell des Mannes und fügten sich, wenn auch nur widerstrebend.
Als sie verschwunden waren, wandte sich Wulff an Sophia. Sie hatte das alles ganz apathisch mitverfolgt. Ein Zittern durchlief ihren Körper, sie kuschelte sich in ihre dicke Uniformjacke. Ihre Augen waren leer.
„Komm, lass uns gehen“, sagte Wulff sanft.
„Ich werde Vicky jetzt nicht alleine lassen. Aber du kannst nach Hause fahren.”
„Sophia, du …”
„Ich will nicht darüber diskutieren“, widersprach sie vehement.
Er hatte es geahnt. Sophia konnte ein richtiger Dickkopf sein. „Ich lass dich nur ungern allein.“
„Das ist okay.” Sie stockte einen Moment, bevor sie fortfuhr: „Danke, dass du mich begleitet hast.“
Er nickte zögernd. Sophia war von Natur aus eine starke Frau. Er konnte ihren Worten vertrauen, obschon er sich nicht sicher war, wie es wirklich in ihrem Innern aussah. Im Moment wirkte sie gefasst und ruhig. „Wenn etwas sein sollte”, fügte er hinzu, „du weißt, du kannst mich jederzeit anrufen.”
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Ich weiß, Robert. Aber ich brauche jetzt etwas Zeit für mich allein.”
Er öffnete seine Arme, und sie schmiegte sich hinein. Schweigend hielten sie sich einen Moment in den Armen. Anschließend wandte sich Wulff in Richtung Treppenhaus, wo ein blonder Pfleger freundlich grüßend an ihm vorbei ging. Dass er gar nicht zum Personal gehörte und sie die ganze Zeit beobachtet hatte, konnte Wulff nicht ahnen. Denn er dachte nur an die Aufgaben, die jetzt auf ihn zukamen, und dass er sehr bald mit Kommissar Krieger sprechen
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