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Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma Malley
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irgendjemandem etwas erzählt hat. Sie hatten so große Angst, dass sie nicht einmal mit mir darüber gesprochen haben. Trotzdem sind sie verschwunden. Und dann auch alle andern. Schließlich war nur noch ich übrig. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich konnte nicht rausgehen, ich konnte nicht schlafen, ich konnte nicht in den Spiegel schauen vor lauter Angst, sie könnten plötzlich hinter mir stehen. Und dann …«
    Sie hielt inne.
    »Was dann?«, sagte Lucas sanft, um sie zum Weiterreden zu bewegen.
    »Dann habe ich es Gabby erzählt. Sie ist meine beste Freundin, und sie hat geahnt, dass ich etwas wusste. Sie hat gesagt, ich müsste ihr das große Geheimnis verraten, und sie wollte wissen, warum ich nicht mehr mit ihr rede und warum ich nicht über die Verschwundenen sprechen will, so wie die anderen. Und … dann habe ich ihr alles erzählt. Ich … ich habe meine beste Freundin auf dem Gewissen.« Sie schluchzte und Tränen liefen ihr übers Gesicht. Mit flehendem Blick sah sie zu Lucas auf.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte sie, wischte die Tränen weg und schniefte verzweifelt.
    Lucas sah sie eine Weile an, bis er das eben Gehörte richtig begriffen hatte. Zugleich versuchte er, die Wut zu unterdrücken, die in ihm hochstieg. Gerade jetzt musste er besonnen bleiben. Es war seine Pflicht, Clara zu beschützen. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag: Es war seine Schuld, dass Clara und ihre Freunde sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatten. Hätten er und Linus das System nicht zerstört, wären sie und ihre Freunde zu Hause geblieben, hätten ihre Aufgaben erledigt und es nicht gewagt, miteinander zu sprechen, es sei denn, es wäre ausdrücklich erlaubt gewesen. Die Regeln, die sie eingeschränkt hatten, hatten sie gleichzeitig geschützt. »Bist du die Letzte aus der Gruppe? Gibt es noch jemanden, der die Spitzel gesehen hat oder der etwas über sie weiß?«
    »Ich bin die Letzte.« Clara nickte.
    Demnach war niemand sonst in unmittelbarer Gefahr. Aber Clara … Er konnte Clara beschützen. Eine von sieben. Es war erbärmlich. Einfach zum Heulen. Aber immerhin etwas. Rache und Gerechtigkeit mussten warten. »Wenn das so ist«, meinte Lucas, »müssen wir dich jetzt von hier wegbringen. Verstehst du? Wir müssen die Stadt verlassen, und zwar auf der Stelle.«
    Clara sah zu ihm auf, und er war erstaunt, dass keine Angst in ihrem Blick lag, sondern Erleichterung. Erleichterung darüber, dass er ihr geglaubt hatte und dass er verstand. »Ja«, sagte sie ruhig und erhob sich.

6
    L ucas nahm nicht an, dass sie noch verfolgt wurden. Sie hatten keine Spuren hinterlassen und nirgends haltgemacht. Durch dunkle Seitenstraßen und auf verborgenen Pfaden waren sie bis an den Stadtrand gelangt und dann durch das umliegende Ödland gerannt, bis sie den Wachposten am Osttor erreichten, eine kleine Hütte in der Nähe eines großen Sumpfgebiets, die Lucas schon ein paarmal aufgesucht, die er aber wegen des widerlichen Gestanks nie betreten hatte.
    Die offizielle Bezeichnung für Rab war »Torwächter«, obwohl er und der Bruder genau wussten, dass Rab keine Kontrollgänge machte. Er war ein fieser Kerl, ein kleiner untersetzter Schlägertyp, für den in der Stadt kein Platz war. Aber er hatte keine Angst vor dem Alleinsein, keinerlei Skrupel, eine Waffe zu benutzen, und keine Achtung vor den Menschen, auch nicht vor dem Bruder – die idealen Voraussetzungen, um in dieser baufälligen Hütte beim Osttor zu wohnen und zu kontrollieren, was dort vor sich ging.
    In Wahrheit hatte es noch nie jemand ohne Erlaubnis aus der Stadt hinausgeschafft. Von Zeit zu Zeit waren die »Bösen« zur Stadtmauer gebracht worden, um den Menschen, die in der Stadt lebten, Angst einzujagen, aber sie waren keine wirkliche Bedrohung. Sie waren nur Opfer misslungener Hirnoperationen, Gefangene der Stadt, die wie Tiere behandelt und in Lagern außerhalb der Stadt gehalten wurden. Nur hin und wieder waren sie dort herausgeholt worden, damit sie mit ihrem Schreien und ihrem Stöhnen die Stadtbewohner daran erinnerten, wie froh sie sein konnten, dass sie innerhalb der Mauer lebten.
    Mittlerweile wurden die Versehrten anständig versorgt und nicht mehr ausgebeutet, und sie lebten friedlich etwas entfernt von der Stadt, die sie zerstört hatte. Die einzigen Fremden, die durch die Stadttore kamen, waren zukünftige Bürger, die von den teils wahren, teils falschen Gerüchten angelockt worden waren, dass es in der Stadt sauberes Wasser im Überfluss

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