Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)
er war der Umstrukturierung zum Opfer gefallen und aus dem Geschäft gedrängt worden. Es waren Informationen über eine Affäre durchgesickert, über dubiose Spesenabrechnungen. In dem Fall war es einfach gewesen. Ziemlich traurig.
Doch vor ihm lag eine wirkliche Herausforderung. Er würde Geduld, Zeit, Geschick, Gerissenheit und Selbstvertrauen brauchen. Es war fast unmöglich, so etwas durchzuziehen. Aber eben nur fast.
Thomas grinste vor sich hin. Endlich eine echte Herausforderung. Und wenn es funktionierte …
Was sollte das denn heißen? Natürlich würde es funktionieren.
Er öffnete ein Fenster auf dem Bildschirm und starrte in das Gesicht eines offenbar verzweifelten Mädchens mit völlig ausdruckslosem Blick. Dieses Mädchen war eine seiner besten Kandidatinnen. Er scrollte zu einem weiteren angehenden Kandidaten, einem dunkelhäutigen Jungen mit grimmigem Blick, voller Zorn und voller Misstrauen. Er betrachtete das Gesicht ein paar Minuten, dann blätterte er zu dessen Akte. Er war der perfekte Kandidat. Aber es würde lange dauern und es würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Und er würde Hilfe brauchen.
Thomas stand auf, öffnete die Tür und rief seinen Assistenten, der im Vorzimmer an seinem Schreibtisch saß. »Komm mal rüber.«
Zwei Minuten später erschien sein erst vor Kurzem eingestellter neuer Mitarbeiter, Adrian Crouch, in seinem Büro. »Trägst du dein Abzeichen?«, fragte Thomas.
Adrian schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe es in meiner Tasche«, sagte er, als ob das alles wiedergutmachen würde.
Thomas verengte die Augen.
»In deiner Tasche?«, sagte er scharf. »Steck es an. Ich habe dir doch gesagt, dass das Abzeichen wichtig ist. Es hebt dich heraus aus der Menge. Türen werden sich für dich öffnen. Es wird Leute geben, die auf dich aufpassen.«
Adrian hob eine Augenbraue. Thomas wollte ihn anschreien, ihn auf der Stelle feuern, aber dann überlegte er es sich anders. Er nahm den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer. »Mike?«, sagte er. »Mike, komm mal in mein Büro.«
Kurz darauf erschien Mike. »Hey«, sagte er.
»Adrian hat sein Abzeichen nicht getragen«, erklärte Thomas.
Mike betrachtete den Neuen misstrauisch. »Ach nein?«
»Ich bin eigentlich nicht der Typ für Abzeichen«, meinte Adrian achselzuckend.
Thomas zögerte. Adrian war erst seit wenigen Wochen in der Firma. Ein Mitglied aus Thomas’ derzeitigem Team hatte ihn als einen der begabtesten Hacker bezeichnet. Und seitdem war er seinem Ruf mehr als gerecht geworden; er war der Beste, den Thomas je kennengelernt hatte. Na ja, fast der Beste. Keiner würde es mit seinem Schützling, seinem ehemaligen Praktikanten, aufnehmen können. Aber das Problem war, dass Adrian wusste, wie gut er war; das machte ihn arrogant, und er dachte, er könne machen, was er wollte. Thomas rückte mit seinem Stuhl näher.
»Die Sache ist die«, erklärte er. »Wenn du das Abzeichen trägst, wenn du damit deine absolute Loyalität beweist, wird keiner den Vorfall mit deinem Onkel erwähnen. Niemand wird je etwas davon erfahren.«
Adrian wurde sofort rot vor Furcht und Scham. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er Thomas an, und auf seiner Stirn stand deutlich die Frage geschrieben: Wie haben Sie das herausgefunden? Thomas konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er konnte alles herausfinden. Das war der Sinn der Sache.
Thomas stand auf, ging zu Adrian, legte ihm den Arm um die Schultern und führte ihn zu seinem Computer. »Wir gestalten hier die Zukunft, Adrian«, flüsterte er. »Wir wollen die Welt verändern. Aber dafür brauche ich Leute, denen ich vertrauen kann. Leute, die mir vertrauen. Die widerspruchslos das tun, was ich von ihnen verlange. Verstehst du? So wie Mike hier. Wie alle in dieser Abteilung und noch viele andere darüber hinaus. Polizisten, Richter, Politiker, Schauspieler, Terroristen, Journalisten. Sie alle arbeiten gemeinsam auf dasselbe Ziel hin. Alle sind stolz, dass sie dazugehören. Verstehst du jetzt, warum das Abzeichen so wichtig ist, Adrian?«
Adrian nickte. Thomas bemerkte, dass er zitterte. Das war gut.
»Trag das Abzeichen, und du bist geschützt, Adrian. Du stehst über dem Gesetz. Dieses Abzeichen ist so etwas wie ein Ausweis. Verstehst du? «
Adrian fing an zu schwitzen. Thomas dachte einen Moment lang nach. »Und niemand wird je erfahren, was du getan hast. Oder wo die Leiche deines Onkels ist. Er hat es verdient, oder? Er hat dafür bezahlt, was er dir und deinem Bruder angetan
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