Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)
hat. Wir verstehen das. Wir sind auf deiner Seite, Adrian. Wir sind ein Team. Okay? Ich will nicht, dass du unglücklich bist oder dich unwohl fühlst. Ich will nicht, dass du vor irgendjemandem Angst hast. Wir alle haben eine Vorgeschichte, aber in diesem Team lassen wir das alles hinter uns, verstehst du? Es spielt keine Rolle mehr. Was zählt, sind Informationen. Wer hat sie und wer kontrolliert sie. Heute zählt nicht die Realität, sondern das, was wir der Welt als Realität verkaufen. Wer wir sind, was wir getan haben … das liegt in unserer Hand. Wir löschen alles, was bisher passiert ist, und geben dir eine neue, eine bessere Vergangenheit.« Mit einem Mausklick erschien auf dem Bildschirm ein Foto von Adrian inmitten einer Gruppe Studenten.
»Möchtest du ein Akademiker sein?«, fragte Thomas. »Mit einem super Examen von Oxford?«
Adrian runzelte die Stirn. »Ich war nie an einer Universität.«
»Die Belege sagen etwas anderes«, meinte Thomas lächelnd. »Und das werden potenzielle Freundinnen lesen, wenn sie dich googeln. Oder wie wär’s mit einer großen Erbschaft?«
Adrian zog eine Augenbraue hoch. »Sie fälschen also ein paar Fotos und Dokumente. Na und? Ich bin trotzdem immer noch ich.« Er versuchte, cool zu klingen, aber Thomas sah das Verlangen in seinem Blick.
»Nein, das bist du nicht. Nicht, wenn du es nicht willst«, erklärte Thomas aalglatt. »Ich spreche nicht von digitaler Bildbearbeitung. Es geht darum, eine Geschichte, eine Person zu entwerfen.«
»Aber das ist nicht real«, entgegnete Adrian unsicher.
Thomas lachte. »Real? Was ist schon real? Das, was du im Fernsehen siehst oder im Internet liest? Verstehst du denn immer noch nicht? Wir kontrollieren die Suchmaschine, wir kontrollieren die Informationen, die die Leute sehen, wir kontrollieren die Realität. Verstehst du? Ist dir klar, was wir hier tun können?«
»Ja.« Adrian nickte, und er sah wie gebannt auf den Bildschirm.
Jetzt hatte Thomas ihn so weit, die Angst war verschwunden. Man musste behutsam mit ihm umgehen, ihn direkt ins Zentrum bringen, mit einbinden und unterstützen. Aber er würde es schon schaffen. Thomas hatte ein gutes Gefühl.
»Gut«, sagte er. »Also, nimm dein Abzeichen nie wieder ab …«
8
D evil starrte in die Augen des Jungen. Er sah die Angst darin, aber es sprach für den Jungen, dass er nicht blinzelte und den Blick nicht senkte, wie die anderen es getan hatten. Seine Arme hingen seitlich herunter, er trug eine helle Jeans und sah aus, als wäre er gerade erst aufgestanden.
»Verstehst du mich? Hast du gehört, was du tun sollst?«
Der Junge nickte.
»Dann sag’s mir.«
Der Junge wiederholte Wort für Wort, was Devil ihm aufgetragen hatte.
»Und was passiert, wenn du es nicht tust?«
Nicht einmal seine Lippen bebten. Vielleicht war dieser Junge tougher, als er aussah. Vielleicht sollte er ihn im Auge behalten.
»Ich komme in die Hölle«, sagte der Junge mit leiser, hoher Stimme. Wie ein Chorknabe, dachte Devil und lachte in sich hinein. Hier in der Gegend gab es gar keinen Chor. Der einzige Gesang kam von den Junkies, den Landstreichern, die sich unter der Brücke herumtrieben und die vor lauter Verzweiflung grölten.
»Du weißt Bescheid über die Hölle?«, fragte Devil. Er wollte eine Weile sein Spielchen mit dem Jungen treiben, um sicherzugehen, dass der wusste, mit wem er redete und womit er es hier zu tun hatte. Der Junge nickte. »Hast du das in der Kirche gelernt? Oder von deiner Mama?« Devil betonte das Wort in der Absicht, den Jungen vor dem Rest der Gang als Waschlappen hinzustellen. Gedämpftes Lachen war zu hören. Die anderen kannten die Übung schon. Sie hatten das alles selbst durchgemacht. Manche stießen Beleidigungen aus, aber der Junge schien keine Notiz davon zu nehmen. Er nickte nur wieder.
»Na gut, dann hast du also keine Ahnung«, fuhr Devil fort und erwärmte sich jetzt so richtig für das Thema. Er wusste, wie man den Leuten Furcht einflößte und sie aufwühlte. Sein Dad hatte ihm alles beigebracht, was er wissen musste. Er hatte seinem Dad immer zugehört, wenn dieser auf der Kanzel stand und wenn die Gemeinde ihm huldigte. Die Leute hingen an seinen Lippen, als wäre er Jesus Christus höchstselbst. Das war, bevor sie erkannten, dass er ihnen ihr Geld stahl, und bevor die Polizei kam und ihn mitnahm.
Und bevor seine Mutter mit ihnen in dieses Dreckloch zog.
»Die Kirche hat keine Ahnung von der Hölle. Jedenfalls nicht von der Hölle, in die
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