Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)
Leute können sich verstecken«, erklärte Rab, und seine Stimme klang plötzlich düster. »Diese Leute können alles.«
»Zum Beispiel Menschen umbringen? Sie aus der Stadt schleppen, ohne dass jemand es sieht? Ohne dass du es siehst? Rab, das ergibt doch keinen Sinn.«
»Ich sage ja nicht, dass sie es waren. Nur, dass es sie gibt.«
Lucas nickte. »Wann waren sie das letzte Mal hier? Vermutlich, bevor ich dir den Schlüssel weggenommen habe, oder?«
»Vor drei Monaten.«
»Vor drei Monaten?« Lucas machte ein finsteres Gesicht. »Aber das ergibt auch keinen Sinn. Das … verstehe ich nicht.«
Rab zog eine Augenbraue hoch und lehnte sich mit einem verschwörerischen Gesichtsausdruck vor. »Das ist es ja gerade«, sagte er leise. »Diesmal war es anders.«
»Wie anders?«, fragte Lucas ungeduldig.
Rab lächelte. Offenbar freute er sich darüber, wie frustriert Lucas war. Er trank noch einen Schluck Whisky, dann spuckte er auf den Boden. »Anders eben«, sagte er, hielt sein Glas in der Hand und sah Lucas vielsagend an. »Wie gesagt, sie sind vor drei Monaten gekommen, aber diesmal sind sie nicht wieder gegangen.«
Lucas schlug das Herz bis zum Hals, und er spürte Claras Blick, der sagte: »Ich habe es Ihnen doch gleich gesagt.«
»Dann waren sie die ganze Zeit hier?«, fragte er, aber Rab gab keine Antwort, stattdessen hob er die Hand und bedeutete Lucas, still zu sein.
»Hörst du das?« Lucas schüttelte den Kopf. »Sind sie euch etwa hierher gefolgt?«
Lucas war überrascht, auf einmal so etwas wie Furcht in Rabs Gesicht zu erkennen. »Habt ihr sie zu mir geführt?«, fragte Rab und stand verwirrt auf. »Verschwindet. Sollen sie euch doch schnappen. Ich will nur meine Ruhe. Ich will nichts damit zu tun haben.«
»Du steckst schon bis zum Hals mit drin«, flüsterte Lucas, denn jetzt hörte auch er draußen Schritte. »Du hast diese Leute in die Stadt gelassen. Und du hast mit mir die Leichen entdeckt.«
»Ich habe nur die Fliegen bemerkt, das ist alles«, zischte Rab. Dann packte er Lucas am Arm. »Hier entlang«, sagte er und bugsierte Lucas und Clara durch die Küche, in der es nach Schimmel und saurer Milch roch. »Verschwindet, versteckt euch und lasst euch nicht erwischen, kapiert?« Rab öffnete eine Tür, schob beide hinaus und schloss die Tür hinter ihnen.
Lucas packte Clara und zog sie mit sich in Richtung Sumpf und tauchte mit ihr in die nach Fäulnis riechenden Tiefen ein. Seine Hände tasteten nach dem schmalen Steg, der zum Tor führte. Mit einer Hand hielt er Clara fest, mit der anderen klammerte er sich an den Steg. Dann warteten sie schweigend.
7
D raußen war es dunkel und seine Glieder begannen zu schmerzen. Thomas bemerkte, dass er schon seit mehreren Stunden in derselben Haltung dasaß. Er hatte Hunger und Durst. Aber solche banalen Dinge konnten ruhig noch ein paar Minuten warten. Er war so nah dran, dass er es fast spüren konnte.
Während er die Informationen vor sich auf dem Bildschirm durchsah, stellten sich ihm die Nackenhaare auf. Unglaublich, wie einfach das alles war. Vor vier Jahren war er noch Unterabteilungsleiter in einem Technologieunternehmen gewesen und musste einem blöden Chef, der nichts kapierte, Rechenschaft ablegen. Und jetzt … jetzt hatte er seine eigene Abteilung, ein Budget, das niemand infrage stellte, und einen umfassenden Aufgabenbereich. Er war verantwortlich für die Sicherheit, für das Archiv und für Ermittlungsverstöße. Mit seinem Einverständnis konnte das gesamte Netzwerk verändert, ausgeschaltet und manipuliert werden. Seine Untersuchungen waren so geheim, dass er auf Spesen für eine Woche in die Karibik fliegen konnte, ohne dass jemand Fragen stellte. Das war nur möglich, weil er wusste, wie man Menschen für seine Zwecke einsetzte, wie man sich die Technik zunutze machte und wie man Menschen Angst machte, sie begeisterte und ihnen einredete, dass sie einen brauchten.
Und sie brauchten ihn tatsächlich. Sie brauchten ihn, weil er als Einziger wusste, was möglich war. Der Einzige, der sich hohe Ziele setzte.
Und Thomas setzte sich in der Tat sehr hohe Ziele. Er scrollte durch die Liste der Kandidaten und prüfte immer wieder die Informationen, die er über sie hatte. Und er hatte jede Menge Informationen. Er kannte jedes traurige Detail ihres armseligen Lebens. Er musste lächeln, wenn er daran dachte, wie sein ehemaliger Boss ihm erklärt hatte, dass die Privatsphäre geschützt werden müsste. Prosser war jetzt nicht mehr da,
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