Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)

Titel: Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gemma Malley
Vom Netzwerk:
modrig schmeckenden Saft, der ihm die Kehle hinunterlief, und er musste an den Sumpf in der Nähe des Stadttors denken, an den Morast, der ihm auf der Flucht mit Evie in Mund und Nase gelaufen war.
    »So ist es schon besser«, meinte Simon gut gelaunt und schenkte ihm nach. »Wo ist eigentlich deine reizende Freundin? Hast sie wohl zu Hause gelassen, was?«
    Raffy starrte Simon wütend an, riss sich dann aber zusammen und nickte. Ihm war klar, dass Simon sich nichts dabei gedacht hatte. Er war ein freundlicher, stämmiger, grobknochiger Mann, ein Mann, dessen Kraft Raffy verblüfft hatte, als er ihn auf dem Feld gesehen hatte; ein Mann, dessen Gesicht sich immer zu einem Grinsen verzog und der Lachfalten um die Augen hatte. Seine Frau Marion war nur halb so groß wie er, aber genauso fröhlich. Die beiden hatten fünf Kinder, die oft in der Siedlung herumtobten und Chaos anrichteten. Ihr Vater lächelte meist wohlwollend und wurde nur wütend, wenn sie ungezogen oder rücksichtslos waren.
    »Sie liest«, sagte Raffy, ohne Simon dabei anzusehen. Das war nicht gelogen – zumindest könnte es so sein –, aber es war auch nicht die Wahrheit.
    »Soso, sie liest.« Simon nickte gedankenverloren. Dann zuckte er die Achseln. »Ich hatte nie viel Zeit für Bücher. Aber es ist eine vornehme Art, den Abend zu verbringen. Ganz anders bei uns, was, Gentlemen?«
    Die Männer lachten und tranken weiter. Bei Raffy machte sich der Alkohol schon bemerkbar, denn er fühlte sich ganz benommen. Er grinste und lachte, obwohl am Tisch über nichts gesprochen wurde, was besonders komisch gewesen wäre. Vielleicht hätte er das schon viel früher tun sollen. Vielleicht hätte er lieber mit diesen Männern ausgehen sollen, anstatt zu Hause zu bleiben und Evie zu beobachten oder auf und ab zu gehen und zu warten, bis sie nach Hause kam.
    Aber in dem Moment, als er diesen Gedanken in Erwägung zog, spürte er den vertrauten Druck im Magen, und er sah Evie vor sich, allein und verletzlich. Er stellte sich vor, wie Neil oder ein anderer Mann vorbeikamen, um Hallo zu sagen, wie sie sie ansahen und sich einbildeten, sie seien ihrer würdig und dass ihr Lächeln etwas bedeutete …
    Raffy schloss die Augen, und er sah nur noch Evies wütenden Blick, als sie entdeckt hatte, dass er ihr nachspionierte. Sie hatte ihn noch nie so angesehen, so zornig, so enttäuscht.
    Er stand auf. »Ich muss gehen«, sagte er und stieß dabei gegen den Tisch, sodass ein paar Gläser überschwappten.
    Simon sah ihn seltsam an. »Immer mit der Ruhe, Raffy. Warum die Eile?«
    »Ich muss gehen«, beharrte Raffy. »Ich muss zu Evie.«
    »Ich bin sicher, es geht ihr gut«, sagte Simon ruhig, aber bestimmt. »Sie hätte bestimmt nichts dagegen, wenn du noch ein oder zwei Bierchen trinkst.«
    »Sie hätte nichts dagegen«, erwiderte Raffy, »aber ich muss trotzdem gehen. Ich muss zu ihr. Ich muss …« Er schob seinen Stuhl zurück und wankte davon. Simon rief noch etwas hinter ihm her, aber er drehte sich nicht um. Er musste zu Evie. Er musste sich bei ihr entschuldigen. Er musste ihr begreiflich machen, warum er sie beobachtet hatte und dass er es nur für sie getan hatte. Weil er sie liebte. Weil er sie brauchte. Und weil sie ihn brauchte.
    Plötzlich blieb Raffy stehen. Direkt vor ihm saß der Mann, der die Ursache war für das alles, der Schuld hatte, dass Evie wütend auf ihn war.
    »Neil.« Er stützte sich an dem Tisch ab, an dem der Lehrer saß. »Neil. Lassen Sie sich auch ein Bierchen schmecken?«
    Neil saß mit einer kleinen Gruppe von Männern und Frauen am Tisch, die ernste Gesichter machten. Alle hörten auf zu reden und sahen Raffy an. Neil lächelte. »Raffy«, begrüßte er ihn freundlich. »Wie schön, dich zu sehen. Geht es dir gut?«
    Raffy kniff die Augen zusammen. »Gut? Nein, eigentlich nicht. Aber machen Sie sich keine Sorgen um mich. Sie kümmern sich ja sonst auch nicht um mich, nicht wahr, Neil?«
    Neil runzelte die Stirn. »Tut mir leid, Raffy. Ist irgendwas?«
    Raffy hielt sich an dem Tisch fest. Dann beugte er sich tief zu Neil hinunter und sah ihm direkt in die Augen. »Lassen Sie Evie in Ruhe, verstanden?«, knurrte er. »Halten Sie sich von ihr fern, oder es wird Ihnen noch leidtun.«
    Neil wich nicht zurück. »Wenn du mit ›fernhalten‹ meinst, dass ich sie nicht mehr unterrichten soll, dann fürchte ich, dass ich das nicht kann, Raffy. Solange Evie etwas lernen möchte und Spaß an unseren Diskussionen hat, stehe ich ihr zur

Weitere Kostenlose Bücher