Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)
holte eine Taschenlampe hervor und stieg aus.
Lucas folgte seinem Beispiel. Der Boden war steinig. Zögernd folgte er Linus zum Höhleneingang, trat ins Freie und atmete dankbar die frische Luft ein.
»Dann wollen wir mal herausfinden, was sie im Schilde führen«, sagte Linus und beschleunigte den Schritt. Lucas nickte und folgte ihm.
Nachdem sie etwa eine halbe Stunde schweigend marschiert waren, blieb Linus so unvermittelt stehen, dass Lucas fast in ihn hineingelaufen wäre.
»Was ist?«, flüsterte er.
»Da«, sagte Linus und deutete auf einen Haufen Felsbrocken. »Von dort aus können wir sie beobachten.«
Leise bewegte er sich auf die Felsbrocken zu und kletterte hinauf. »Kommst du?«
Lucas zögerte. Die Lichter wurden heller. Er schätzte, dass das Lager, oder was immer es war, ungefähr eine halbe Meile entfernt war. Selbst von hier aus wirkte es riesig, viel größer, als Lucas es sich vorgestellt hatte. Es bestand aus einer Ansammlung von niedrigen Gebäuden in der Mitte, die von Hunderten kleinerer Gebäude umgeben waren.
»Fertighäuser«, erklärte Linus sachkundig. »Keine dauerhaften Bauten, aber es hat sicher eine Weile gebraucht, sie zu errichten. Diese Leute meinen es ernst.«
»Ernst womit?«, fragte Lucas.
»Das ist die Frage«, erwiderte Linus achselzuckend. »Und ich glaube, dass es nichts bringt, wenn wir sie von hier aus beobachten. Wir müssen direkt ins Lager.«
»Ohne Waffen? Hast du eine Idee?«, fragte Lucas.
»Hab ich«, sagte Linus mit einem Funkeln in den Augen. »Aber sie wird dir vielleicht nicht gefallen.«
»Wetten, dass?«, meinte Lucas trocken.
»Gut«, sagte Linus nachdenklich. »Wenn wir geschnappt werden, sterben wir. Aber wenn sie einen von uns …«
»Gefangen nehmen?« Lucas runzelte die Stirn.
»Das nicht gerade. Gefangene werden meist eingesperrt, geschlagen und gequält. Ich weiß nicht, wie es hier ist, aber wie wir wissen, schrecken sie nicht davor zurück, Menschen zu töten. Nein, ich habe eine andere Idee.«
»Und zwar?«, fragte Lucas ungeduldig.
Linus machte ein nachdenkliches Gesicht. »Es ist riskant, aber ich glaube, es könnte klappen. Wirf mal einen Blick über den Rand des Hügels und sag mir, was du siehst.«
Lucas wollte schon erwidern, dass Linus doch selbst gehen und nachsehen sollte, aber dann überlegte er es sich noch einmal und fing an zu klettern.
»Ich kann nichts sehen«, sagte er.
»Du musst weiter hinauf«, rief Linus ihm zu und deutete auf die Spitze des Felsens. Lucas zog sich hoch, aber erst als er ganz oben war, bemerkte er, dass Linus direkt hinter ihm war – zu spät, als dass er noch hätte erkennen können, was vor sich ging. Er konnte sich nicht mehr halten und stürzte kopfüber über den schmalen Felsvorsprung in die Tiefe.
20
» G efällt dir die Musik, Devil?« Mit einem halbherzigen Lächeln drehte Thomas sich um. Er sah zwar nicht gut aus, aber sein stählerner Blick verriet Devil, dass er Autorität hatte. Seine Augen standen eng zusammen, die Haare waren kurz geschnitten, am Handgelenk trug er eine teure Schweizer Uhr, und sein Anzug sah maßgeschneidert aus.
»Ich denke schon«, sagte Devil achselzuckend und in unverbindlichem Ton. Es war nicht sein Musikgeschmack. Gitarrengeklimper. Die Art Musik, die weiße Jungs mit langen Ponyfrisuren spielten. Früher hatte er solche Musik auch gehört. »Das ist eine neue Band. Ich glaube, die Jungs werden es noch weit bringen«, sagte der Mann, trommelte mit den Fingern auf seinen Oberschenkel und nickte im Rhythmus mit dem Kopf. Dann grinste er. »Eigentlich weiß ich genau, dass sie es weit bringen werden, weil ich dafür sorgen werde. Kennst du die Redensart >zu viel Vertrautheit schadet nur Das ist Quatsch. Je öfter wir etwas hören, desto besser gefällt es uns. Als ich diese Musik das erste Mal gehört habe, fand ich sie furchtbar. Aber jetzt liebe ich sie.«
Devil zuckte die Achseln, als wollte er sagen: »Mir doch egal.« Er zog sich die Kapuze über den Kopf. Im Grunde hatte er keine Ahnung, wovon Thomas überhaupt redete, und deshalb tat er das, was er immer tat, wenn er nicht wusste, worum es ging: Er ignorierte ihn. »Ignoranz bedeutet Versagen«, hatte sein Vater immer gesagt. »Ignoranz bedeutet Schwäche. Und wenn du schwach bist, wird der Starke dich ausnutzen. Du musst immer einen Schritt voraus sein. Du musst sehen, was kommt. Du musst gebildet und gut informiert sein, damit dich niemand aufs Kreuz legt, verstehst du, mein Sohn?«
»Du
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