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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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sie erwartet hatte. Sie war dreieckig, hatte zwei, sich an den Kopfenden treffende Kojen, die gegenüber den Stufen ein umgekehrtes V bildeten. Gleich links befand sich eine Holzarbeitsplatte mit einem Spülbecken und einer Kochstelle, und rechts lag ein winziger Raum mit einer Toilette. Über jeder Koje verlief ein langes, schmales, rechtwinkliges Fenster. Susannah erinnerte sich, dass ihr Katie erzählt hatte, sie habe die Schränke und Regale gemacht, die über den Kojen und Fenstern angebracht waren. Sie hatte auch die abschließenden Feinarbeiten an der Arbeitsplatte, den Betten und der Toilettentür ausgeführt.
    Susannah strich mit der Hand über die glatte, glänzende Oberfläche der wirklich schönen Holzplatte. Alles in dem kleinen Raum war sauber, akkurat und perfekt. Sie fragte sich, wie Katie hatte lernen können, so viel so gut zu machen. Die Matratzenbezüge in den Kojen, die fast die gesamte Länge der Kabine einnahmen, waren sonnengelb. Die kleine Arbeitsplatte, die Regale, die Toilettentür und die Innenwände der Toilette bestanden alle aus prächtigem, schimmerndem Mahagoni. Susannah betrachtete alles und dachte überrascht: »Katie ist ebenfalls eine Künstlerin.«
    Ein Windstoß schüttelte das Boot, und die kleine Tür schlug zu. Susannah packte den metallenen Türgriff, aber der ließ sich nicht bewegen. Sie schüttelte ihn, dann stieß sie mit der Hüfte heftig gegen die Tür, aber es rührte sich nichts.
    »Verdammt!« Susannah lehnte sich gegen die Tür und unterdrückte erste Regungen von Klaustrophobie.
    Noch einmal rüttelte sie am Griff und begann, mit ihren Fäusten gegen die Tür zu schlagen.
    »Barfuß! Barfuß! Ist da jemand? Ich stecke im Boot fest! Holt mich hier raus!«
    Erschöpft brach sie ab. Während sie tief durchatmete, fiel ihr auf, wie stark sie zitterte. Ihre Hände, Arme und Beine flatterten. Sie zog ihr Handy aus der Tasche, obwohl sie bei diesem Sturm sicherlich keinen Empfang haben würde. Prompt leuchteten ihr vom Display nur die Buchstaben »Netzsuche« entgegen. Sie wählte dennoch Katies Nummer, aber nichts geschah.
    Sie überlegte fieberhaft. Die Pavalaks waren fort. Barfuß war nicht zu Hause und besaß auch kein Handy, und bei dem Sturm würde er ihr Rufen niemals hören. Ihre letzte Hoffnung blieb Katie, aber sie musste warten, bis ihr Handy wieder eine Verbindung bekam. Doch Quinn war zu krank. Sie konnte nicht warten. Sie musste etwas tun.
    Sie lief in der winzigen Kabine herum. Die Fenster bestanden aus dickem, festem Glas und ließen sich nicht öffnen. Sie durchsuchte sämtliche Schubladen, Schränke und Fächer nach einem Reserveschlüssel oder einem Schraubendreher oder etwas, womit sie das Schloss aufhebeln könnte. Sie beugte sich vor und öffnete eine Klapptür unter einer der Kojen und fand einen Schlafsack. Ein anderes Fach enthielt Decken. Über den Kojen, auf Regalböden hinter Schiebetüren, befanden sich Lebensmittelkonserven, Gewürze und Flaschen mit Wasser.
    In einer Schublade entdeckte sie einen silbernen Flachmann, wie den, den Barfuß an jenem ersten Tag auf dem Boot dabeihatte, als er sie das Boot auf dem Weg nach Friday Harbor steuern ließ. Sie nahm ihn, schüttelte ihn und hörte das Schwappen von Flüssigkeit in seinem Inneren. Sie drehte das Fläschchen auf und roch daran. Ein starker Geruch von Whiskey und Orangen stieg in ihre Nase. Wenn sie je einen Schluck »Herzmedizin« gebrauchen konnte, dann jetzt. Sie nahm ein Schlückchen und spürte, wie etwas Warmes in ihrem Inneren nach unten lief. Sie trank erneut und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Dann schraubte sie den Verschluss wieder auf den Flachmann und ließ ihn in ihre Parkatasche gleiten.
    Es gab hier keinen Schlüssel, Hammer oder Schraubendreher. Sie setzte sich auf eins der Kojenbetten. Sie war gefangen. Sie sah aus dem schmalen Fenster über der Koje auf die braun gewordene Wiese und die knorrigen verdrehten Äste der vom Wind verformten Kriechwacholder, die am Rand des Feldes auf der Sandsteinklippe wuchsen. Ein großer Granitbrocken – ein Beleg für das einstige Vorhandensein eines Gletschers – lag neben den Kriechwacholdern. Der Himmel dahinter war grau und verhangen.
    »Ich versage«, dachte sie. Hier war sie nun gefangen, und das in einem Moment, in dem ihr Sohn ihre Fürsorge und ihren Schutz mehr denn je benötigte, und sie ließ ihn im Stich und tat genau das, was niemals zu tun, sie geschworen hatte, dass sie es nie tun würde. Die Worte ihres

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