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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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Blüten auf rubinrotem Untergrund. Instinktiv streifte Susannah ihre Schuhe ab.
    »Sie haben wunderschöne Sachen«, sagte sie.
    »Ich bin viel gereist. Hab hier und da Sachen mitgenommen.«
    »Hier und da?« Sie betrachtete ein weiteres Gemälde an der Wand.
    »Vor allem Asien, außerdem Afrika, berufsbedingt.«
    Vor dem Abendessen am Vortag hatte ihr Jim ein wenig über Barfuß’ Vergangenheit erzählt. Er hatte während einer über sechzig Jahre umfassenden Laufbahn für das amerikanische Landwirtschaftsministerium als Wissenschaftler gearbeitet. Er war kreuz und quer durch Indien, Tibet, Assam, Nepal und Iran gereist, um Pflanzen für das amerikanische Landwirtschaftsministerium und für Museen in den Vereinigten Staaten und Europa aufzuspüren. Unterwegs hatte er an Orten wie Kullutal, Yusufabad oder Zahedan einige der exotischsten Arten gesammelt und katalogisiert.
    »Jim hat mir erzählt, dass Sie viel Zeit im Nahen und Mittleren Osten verbracht haben.«
    »Persien – Iran. Und weiter östlich – Tibet, Nepal, Indien.«
    Er verschwand in seinem Schlafzimmer, um seinen Mantel zu holen, und Susannah nutzte die Gelegenheit, einen Blick in die Küche zu werfen. Dort hingen säuberlich zusammengebundene Kräuter von der Decke. Eine weitere schöne Brücke – diese in Türkis-, Orange- und Rottönen – bedeckte den abgetretenen Holzfußboden. Über der Hintertür, die zum Gewächshaus führte, stand in makelloser schwarzer Schrift der Vers geschrieben:
    Seit mein Haus niedergebrannt ist,
    habe ich einen besseren Blick
    auf den aufgehenden Mond.
    M IZUTA M ASAHIDE
    »Noch etwas, das Sie gern sehen würden?«
    Susannah fuhr zusammen, als Barfuß neben ihr auftauchte. »Ich wollte nicht rumschnüffeln«, sagte sie. »Aber ich bin fasziniert. Mir gefällt Ihr Haus sehr.« Sie sah wieder zu dem Zitat über der Tür hoch. »Wer ist Mizuta Masahide?«
    »Ein Samuraikrieger und Dichter aus dem 17. Jahrhundert. Das war das Erste, was ich tat, als ich in dieses Haus zog: diese Worte dort oben mit Tusche zu schreiben.«
    »Warum?«
    Barfuß musterte sie mit seinen blauen Augen. »Weil ich mich gern daran erinnere, dass wir alle für uns selbst entscheiden, ob Dinge gut oder schlecht sind. Es liegt alles nur daran, wie man die Dinge betrachtet.«
    Susannah nahm ein kleines gerahmtes Foto vom Tresen. Es zeigte eine Frau in einem langen schwarzen Rock und einer geblümten Tunika, die barfuß vor einem Zelt saß. Schwarze Haarsträhnen fielen aus einem um ihren Kopf gebundenen Schal und quer über ihre Wangen. Sie war auffallend schön.
    »Wer ist das?«
    »Meine Mutter. Dorelia. Es wurde 1920 aufgenommen, als sie neunzehn war.«
    »Sie ist wunderhübsch.«
    Barfuß zuckte die Schultern. Er nahm ein Einkaufsnetz von der Theke und stopfte es in seine Parkatasche. »Genug herumgesäuselt. Wir müssen in die Stadt.«
    Sie fuhren runter zur Anlegestelle, parkten auf dem Platz neben dem Waschsalon und ruderten mit dem grünen Beiboot zu Barfuß’ anderem Boot, der EmmaJeanne . Susannah kletterte an Bord und sah sich misstrauisch um. Es gab ein Steuerhaus, das hinten mit einer dicken Segeltuchplane abgedeckt war. Barfuß hielt die Plane auf, und sie stieg hinein. Zumindest war sie hier drinnen und saß nicht ungeschützt draußen, wo sie ins Wasser fallen oder von Bord geschleudert werden konnte. Sie atmete tief durch und setzte sich.
    Barfuß sah in ihr bleiches Gesicht und auf die im Schoß verklammerten Hände. »Gütiger Gott, wir haben noch nicht mal die Leinen losgemacht«, sagte er. »Wissen Sie, es kann ja auch Spaß machen.«
    Das hatte ihr Vater ebenfalls gesagt, erinnerte sich Susannah. »Dies wird sehr viel Spaß machen .« Für den Ausflug hatte ihr Vater ein großes Boot gemietet, mit zwei drehbaren Sesseln vorn und zwei weiteren gepolsterten Sitzen im Heck, rechts und links des Innenbordmotors. Der Lake Michigan war ruhig gewesen, als sie bei klarem blauem Himmel losfuhren. Sie wusste noch, wie das Boot über die Wasseroberfläche flog, erinnerte sich an das rauschhafte Geschwindigkeitsgefühl, die im Wind flatternden braunschwarzen Haare ihres Vaters, die dunklen Gläser seiner Sonnenbrille, die ihn noch jünger und attraktiver wirken ließ.
    »Kommen Sie her«, befahl Barfuß. Er stand hinter dem Steuerrad des Boots und steckte den Schlüssel in die Zündung. »Stellen Sie sich neben mich.«
    Sie trat einen Schritt zurück. »Sie wollen, dass ich das Boot fahre?«
    »Ja, ich will, dass Sie das Boot fahren. Was

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