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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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ihre Ängste. Die Rückfahrt am Nachmittag durch eine raue See trug nichts zu ihrer Beruhigung bei. Als sie schließlich wieder auf dem Anlegesteg von Sounder stand, holte sie tief Luft und beschloss, nie wieder ein Boot zu steuern.
    So viel dazu, sich ihren Ängsten zu stellen.

11. Kapitel
    Betty 1955
    A n einem sonnigen Samstag Anfang November, sieben oder acht Monate nach ihrer Ankunft auf Sounder, ging Betty gerade den Schotterweg zur Post hoch, als Annette Fahlstrom aus dem Eingang auf die Veranda hinaustrat. Annettes Mann Corky betrieb das Postschiff von und nach Sounder. Sie hatten zwei kleine Söhne, und Annette half häufig in der Schule mit. Betty hatte sich schon Dutzende Male bei Strandpicknicks und Tanzveranstaltungen mit Annette unterhalten, und Corky war bei ihnen vorbeigekommen und hatte Bill bei dieser oder jener Sache auf der Farm geholfen.
    Betty tat sich noch immer erheblich leichter mit Männern als mit Frauen, und sie wusste nicht recht, wie man die Basis für eine der innigen Frauenfreundschaften legte, die Bobbie immer mit all ihren Freundinnen unterhielt. Zudem war Annette eine jener zierlichen, femininen Frauen, die Betty stets das Gefühl gaben, lang und unbeholfen zu sein und zu große Füße und ungelenke Gliedmaßen zu haben. Aber sie und Annette hatten immerhin ein paar nette Gespräche geführt und ein paar Witze ausgetauscht.
    Betty konnte sich noch lebhaft an die kalte Luft und an das Sonnenlicht erinnern, das auf das hohe Gras im Feld neben der Post fiel und es mit einem goldenen Glanz überzog, und an das geblümte lavendelfarbene Baumwollkleid, das Anette unter einem dunkelgrünen Mantel trug. Sie wusste noch, wie sie Annettes Blick auf sich ruhen spürte, als sie die Treppen hochstieg, und sich plötzlich schämte, obwohl sie keine Ahnung hatte, warum sie das tat. Und dann sah sie es: ein kurzes triumphierendes Lächeln, das über Annettes Gesicht huschte, ein selbstgefälliges Lächeln. In diesem Moment wusste Betty: Annette hatte mit Bill geschlafen. Ihr war nicht klar, woher sie das wusste, sie wusste es einfach tief in ihrem Inneren, und sie wusste in diesem Augenblick ebenfalls, dass sie den falschen Mann geheiratet hatte.
    Sie sagte nichts zu Bill – nicht an jenem Abend oder dem nächsten oder dem übernächsten. Sie beobachtete ihn und überlegte intensiv, was sie tun sollte. Sie war nun dreiundzwanzig Jahre alt und hatte seit ihrer Eheschließung, also während der vergangenen vier Jahre, keine »richtige« Arbeit mehr gehabt. Bobbie war verheiratet und hatte ein Baby. Und Mel, die unter Panikattacken litt, lebte zu Hause bei Mutter und Grammy, die selbst ein wenig verrückt war. Jimmy war nach New York gezogen. Wohin konnte sie gehen, wenn sie Bill verließ?
    In jener Woche dachte sie jeden Tag – während sie zahllose Bottiche Äpfel zu Apfelkompott und Apfelmus einkochte, Teig für das Brot knetete, Holz hackte und sich um die ungeliebten Hühner kümmerte – darüber nach, was sie tun sollte. Jedes Mal, wenn Bill die Farm verließ, um die Post zu holen, ein Werkzeug von einem Nachbarn auszuleihen oder Eier zum Verkaufen zur Post zu bringen, fragte sich Betty: »Geht er wirklich dahin, oder trifft er sich irgendwo mit Annette? Wo?«
    Ihr begann bei dem Gedanken daran übel zu werden; bei der Vorstellung, dass Bill seine Hände über Annettes schmale Taille gleiten ließ, über ihre perfekten kleinen Brüste, und ihren rosenblättrigen Mund küsste. Als sie eines Morgens erwachte, nachdem sie die ganze Nacht darüber nachgedacht hatte, erbrach sie sich in die Küchenspüle.
    »Hast du etwas Verdorbenes gegessen?«, fragte Bill, der von draußen in die Küche kam, nachdem er die Ziegen gemolken hatte.
    »Nein«, sagte Betty und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Dann drehte sie sich um und sah ihn an. »Ich weiß das von dir und Annette.«
    Sie sah die Wahrheit sofort in seinem Gesicht – Schrecken, Schuld, dann die schnelle Kalkulation, während seine Augen hin und her huschten und er abzuschätzen versuchte, was sie wusste und woher sie es wusste und ob er einfach alles abstreiten konnte.
    »Es war ein Mal, Betty«, sagte er mit leiser Stimme. »Es war ein Fehler.«
    »Darauf kannst du wetten, dass das ein Fehler war, du verdammter Scheißkerl!«, sagte sie. »Ich werde nämlich nicht mehr hierbleiben, und du wirst auf einen Schlag deine Köchin, Putzfrau, Wäscherin, Eiersammlerin und Ziegenhüterin verlieren. Das mit der Frau in Seattle war ja auch

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