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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McCleary
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Seite des Bootes. Die struppigen Haare seiner Augenbrauen standen unter seinem roten um die Stirn gebundenen Bandana aufrecht ab. »Mann über Bord, backbord !« Er sah sie an. »Haben Sie das verstanden? Sie sichten die Person und nennen ihre Position und lassen sie, was auch immer passiert, nicht aus den Augen.«
    Susannah nickte. Wenn es bloß so einfach gewesen wäre!
    »Dann drehen Sie das Heck und die Schiffsschraube von der Person im Wasser weg. Nun werfen Sie ihr irgendetwas zu, was zu ihr hintreibt – eine Schwimmweste, ein Polster, selbst eine leere Kühlbox. Steuern Sie das Boot so dicht heran, wie Sie können, dann schalten Sie den Motor ab, damit Sie die Person nicht mit der Schiffsschraube zerhacken.«
    O lieber Gott, wenn das so weiterginge, würde sie den gesamten Flachmann mit Herzmedizin brauchen.
    »Dann ziehen Sie die Person die Leiter hoch. Das ist alles, was man tun muss.« Barfuß nickte zufrieden. »Ständig gehen Leute über Bord. Teufel, vor ein paar Jahren fiel ein verdammter Welpe von der Fähre, und sie haben die Fähre gewendet und ein Rettungsboot runtergelassen und den Welpen gerettet. Die Lokalpresse hat begeistert darüber berichtet.«
    »Das ist gut«, sagte Susannah. »Ich meine, dass sie den Welpen gerettet haben.«
    Barfuß sah sie an. »Bekommen Sie ein Gefühl dafür? Es ist gar nicht so schwer. Selbst Ihr vorlautes Gör von Tochter könnte das schaffen.«
    »Das fürchte ich«, meinte Susannah. »Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich sie hinter dem Steuer von irgendetwas haben will.«
    Barfuß zeigte aus dem rechten Fenster. »Sehen Sie.«
    Sie sah zu den Wellen hin, konnte aber nichts entdecken. Plötzlich brachen eine riesige Rückenflosse und ein glitzernder schwarzer Rücken durch die Oberfläche, dann eine weitere und noch eine.
    »Orcas«, sagte Barfuß.
    Susannah beobachtete, wie sich die Flossen in den Wellen hoben und wieder verschwanden.
    »Man sieht sie hier ständig«, kommentierte Barfuß. »Wie auch immer, ich könnte Ihrer Tochter beibringen, mit dem Boot zu fahren.«
    »O nein. Nein, danke.« Susannah wollte das Thema wechseln. »Haben Sie Kinder?«
    »Nein. Erstens war ich nie verheiratet und wollte es auch nie sein. Zweitens wird die ganze Welt den Bach runtergehen, und ich wüsste nicht, warum ich das Elend vergrößern sollte, indem ich ein weiteres menschliches Wesen in das Durcheinander werfe. Wir sollten mindestens zwanzig Prozent derjenigen, die bereits hier sind, euthanasieren. Reine Ressourcenverschwendung.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst!«
    »Vielleicht doch, vielleicht auch nicht. Ich könnte Ihnen überzeugende Argumente für beide Seiten liefern.« Barfuß beugte sich vor und spuckte auf den Boden. »Ich mag Pflanzen. Und Vögel. Mehr als die meisten Menschen.« Er seufzte. »Es hat sich zu viel verändert. Als ich noch ein Kind war, drängten sich die Enten so dicht auf dem Teich, dass sich der Himmel verdunkelte, wenn sie aufflogen. Ich hätte auf den Rücken der Lachse in der Bucht auf dem Wasser spazieren gehen können. Jetzt ist die ganze Gegend hinüber.«
    »Quinn ist auch so«, sagte Susannah. »Er liebt Pflanzen und Tiere. Ich glaube, er kann zu ihnen leichter eine Verbindung herstellen als zu Menschen.«
    Plötzlich ergriff eine Woge das Boot und begann es hochzuheben. Voller Panik riss Susannah das Steuerrad herum, wodurch das Boot nun breitseits zur Welle stand. Die Backbordseite des Bootes wanderte höher und höher, und der Boden neigte sich in einem beängstigenden Winkel. Barfuß kippte zur Seite, stieß gegen sie und ergriff das Steuerrad mit beiden Händen, um es mit aller Kraft wieder herumzureißen. Es dauerte nur ein paar Sekunden, und er hatte das Boot wieder in die richtige Richtung gedreht, mit dem Bug in den Wind.
    »Governor’s Channel«, erklärte ihr Barfuß. »Die Winde und Strömungen hier können umschlagen. Man muss nur darauf vorbereitet sein.«
    Susannahs Herz raste. Sie sah die ganze Zeit das andere Boot an jenem anderen Tag vor sich – den blauen Himmel, die lockeren weißen Wölkchen, den plötzlichen schrecklichen Stoß.
    »Tut mir leid«, sagte sie zu Barfuß. »Ich kann nicht mehr.«
    Er sah sie mit einem Ausdruck an, den sie nicht ganz interpretieren konnte – Mitleid? Widerwillen? –, und zischte ein »Tss-tss« durch die Zähne. »Wenn Sie meinen.« Er nahm ihren Platz ein, ergriff das Steuer und sprach bis Friday Harbor kein Wort mehr.
    Sie kauerte sich auf den Sitz gegenüber von Barfuß und hasste

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